02_ZAK Februar 2019_Ansicht

Beruf & Recht Seite 16 – 21 Feste Arbeitszeiten, fixer Arbeitsort, eindeutige Arbeitsabfolge – das Dienstverhältnis eines Kundenbe- raters glich dem eines Angestellten, nur bei der Bezahlung nicht. Die AK erstritt rund 10.000 Euro. V ier Jahre war Stefan W. als Kundenberater für einen Pay-TV-Anbieter in diversen Elektronikmärkten beschäftigt – als freier Dienstnehmer. Dennoch wurden ihm von seinem Arbeitgeber, einem Wiener Werbeun- ternehmen, Arbeitszeit und Arbeitsort genau vorgegeben. Auch bezüglich Arbeitsabfolge wurden ihm eindeutige Weisungen erteilt. Er war in den Betrieb eingegliedert wie alle Mit- arbeiter, die direkt bei den Elektronikmärkten angestellt waren. Aber im Unterschied zu den Fix-Angestellten wurden ihm weder Urlaubs- geld noch Weihnachtsgeld ausbezahlt. Auch einUrlaubsanspruch sowie Entgeltfortzahlung im Krankenstand wurden ihm aufgrund der Tätigkeit als freier Dienstnehmer verwehrt. 10.000 Euro zugesprochen „Herr W. fühlte sich ungerecht behandelt und wandte sich anuns“, schildert AK-Arbeitsrechts- experte Thorsten Bauer. Da der Arbeitgeber sich weigerte, die geforderten Ansprüche zu bezahlen, wurde schließlich eine Klage beim Arbeits- und Sozialgericht Graz eingebracht. Dieses gab der AK Recht und stellte fest, dass es sich um ein „echtes“ Dienstverhältnis han- delt. Dem Kundenberater wurden insgesamt mehr als 10.000 Euro an Sonderzahlungen und Urlaubsersatzleistung zugesprochen. JF Freier Dienstnehmer arbeitete wie ein Angestellter Willi Tell ins schwarze Mathias Grilj Alle Jahre wieder die Verküh- lung, das Fieber, die Zerschla- genheit. Ich möchte mich ins Schneckenhaus verkriechen, will keine Zeitung lesen und keine Nachrichten hören. Ich meide Menschen und bin die fleischgewordene Resignati- on. Natürlich weiß ich, dass es viel zu tun gibt und dass man sich gegen so manches in der Gesellschaft und Poli- tik stemmen muss. Aber die Vorstellung, Stärke zu zeigen, erscheint mir imMoment völ- lig fiebrig. Mein ärgster Feind ist offen- bar meine eigene Resignati- on. Die ist schlimmer als jeder grippale Infekt. Sie führt zum verbitterten Glauben, dass man nichts ausrichten kann und gegen die herrschende Meinung und vorherrschen- den Umfragen keine Chance hat. Und so etwas ist letztlich Ver- rat an mir selbst. Aber dann höre ich unten auf der Straße die Trommel schlagen. Es ist die Donners- tagsdemo. Unter dem Fens- ter ziehen mehr als 1.000 Leute vorbei, vorwiegend Ju- gend. „Für Demokratie und Gerechtigkeit“. Dann bin ich einerseits etwas beschämt, weil ich nicht neben ihnen auf der Straße bin. Zugleich bin ich etwas beruhigt: Ja, die machen das schon! Die Jugend resigniert nicht, sie marschiert. Schließlich geht es um ihr Heute und um ihr Morgen. Der Widerstand macht sie offensichtlich ganz schön fit. Nicht verzagen! Merkmale des freien Dienstvertrages • Beim freien Dienstvertrag gibt es keine oder nur eine sehr geringe„persönliche Abhän- gigkeit“ (keine Bindung an Arbeitszeit, an Weisungen etc.). • Es kommt weder ein Kollektivvertrag noch ein Mindestlohntarif zur Anwendung. Die Entloh- nung ist demnach frei mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren. • Das Arbeitsrecht und seine Schutzbestim- mungen (5 Wochen bezahlter Mindest- urlaub, Entgeltfortzahlung bei Krankheit usw.) gelten für freie Dienstnehmer nicht. • Das Einkommen muss selbst versteuert werden. zak info 10.000 Euro musste ein Arbeitgeber einem freien Dienstnehmer nachzahlen, da er den Kundenberater wie einen Angestellten behandelt hatte. D ie Führung des Viersterne- Hauses hat sämtlichen Be- schäftigten einen Arbeitsvertrag vorgelegt, in welchem sie sich „ausdrücklich und freiwillig“ im Vorhinein schriftlich verpflichten sollen, dass sie bei Vorliegen eines erhöhten Arbeitsbedarfes bis zu zwölf Stunden täglich und 60 Stun- den wöchentlich leisten wollen. Verstößt gegen Gesetz „Eine derartige Vereinbarung ist rechtlich unwirksam beziehungs- weise nichtig, da sie gegen das Arbeitszeitgesetz verstößt“, erklärt AK-Arbeitnehmerschutzexpertin Biljana Bauer. Demnach dürfen Arbeitnehmerinnen und Arbeit- nehmer Überstunden ab zehn Stunden täglich und 50 Stunden wöchentlich ohne Angabe von Gründen ablehnen, die soge- nannte „Freiwilligkeitsgarantie“. Wer Überstunden ablehnt, darf hinsichtlich Entgelt, Aufstiegs- möglichkeit undVersetzung nicht benachteiligt werden. Praxis sieht anders aus „In der Praxis haben allerdings Arbeitnehmerinnen und Arbeit- nehmer keine Wahl, ob sie Über- stunden leistenwollen oder nicht, da sie bei Ablehnung mit der Be- endigungdes Arbeitsverhältnisses zu rechnenhaben“, kritisiert Bauer: „Sie haben zwar die Möglichkeit, binnen 14 Tagen ab Ausspruch die Kündigung bei Gericht an- zufechten, allerdings sind die Chancen aufWeiterbeschäftigung gering.“ JF © jani schwob D rei Monatsgehälter und das Urlaubsgeld – so viel blieb ein Unternehmer einem Maschinen- schlosser schuldig.„Wir haben den Mann informiert, dass er aufgrund von ungebührlicher Entgeltvor- enthaltung das Arbeitsverhältnis durch berechtigten vorzeitigen Austritt beenden kann“, erklärt AK-Arbeitsrechtsexpertin Vere- na Stiboller: „Ein Austritt wegen ungebührlicher Entgeltvorent- haltung sollte nur unter einer Nachfristsetzung von zumindest Kein Lohn – AK half Maschinenschlosser 14 Tagen erfolgen und ist nur möglich, solange kein Insolvenz- verfahren eröffnet ist.“ AK schloss Vergleich Auf Wunsch des 51-Jährigen wur- de das Arbeitsverhältnis, da eine Zahlung der noch offenen Ent- gelte innerhalb der 14-tägigen Frist nicht erfolgte, durch Austritt vorzeitig beendet. „Wir klagten aufgrund des berechtigten Aus- trittes des Mannes sowohl die offenen Löhne als auch einen Schadenersatz für den berech- tigten vorzeitigen Austritt in der Höhe von rund 16.350 Euro ein“, so Stiboller. Es kam zu einem Ver- gleichmit demArbeitgeber. Da er nicht fristgerecht vollständig be- zahlte, unterstützte die AK den Maschinenschlosser auch bei der Exekution des restlichen Betrages. „Schlussendlich hat der Arbeit- nehmer den gesamten eingeklag- ten Betrag erhalten. Kosten sind ihm dabei nicht entstanden“, sagt Stiboller. JF Die AK verhalf einem 51-Jährigen zu 16.350 Euro – der Lohn für drei Monate, ausstehendes Urlaubsgeld sowie Schadenersatzansprüche. Gorodenkoff Productions OU Und wieder wird das neue Arbeitszeitgesetz von einem Unternehmen missbräuchlich interpretiert: Ein steirisches Hotel will die Freiwilligkeit des 12-Stunden-Tages über den Dienstvertrag erzwingen. „Freiwillig“ zu 60 Stunden verpflichten Wer diesen Vertrag unterzeichnet, verpflichtet sich zu einer Tagesarbeitszeit von 12 bzw. 60 Stunden proWoche. 16 | ZAK ZAK | 17

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