02_ZAK Februar 2019_Ansicht

Leseecke Bildung &Wissen www.scherzundschund.at Helene Belndorfer: Wegwerfen ist eine Sünde. Österreichische Konsumgeschichten aus beinahe hundert Jahren. Böhlau 2018. 262 Seiten. Konsumprägt Alltagund Identität. In diesem Band erzählen Men- schen verschiedener Generatio- nen ihre ganz persönlichen Kon- sumgeschichten. Sie berichten aus Stadt und Land von Konsum undVerzicht in Kriegs-, Zwischen- kriegs- undNachkriegszeiten, vom Aufstieg auf der Konsumleiter der goldenen Jahre und von Konsum- unterschieden der Geschlechter. Die Erzählungen sind zugleich Zeitreisen – der mühsameWasch- tag, der Gang zur Milchfrau oder das Einrexen der Sommerernte. Manfred Spitzer: Die Smart- phone-Epidemie. Gefahren für Gesundheit, Bildung und Gesellschaft. Klett-Cotta 2018. 368 Seiten. Smartphones sind für 4Milliarden Menschen zum alltäglichen Be- gleiter geworden, ohne die hand- lichen Alleskönner scheint ein Leben für viele bereits unmöglich geworden. Der Ulmer Psychiater, Hirnforscher und Bestsellerautor Manfred Spitzer untersucht die Konsequenzen der Smartphone- Nutzung und kommt zu erstaun- lichen und erschreckenden Ergeb- nissen – Smartphones machen dumm, schaden der Gesellschaft und der Gesundheit! A.K. Amherst: Belfast Central. Morawa Lesezirkel 2018. 532 Seiten. Belfast 1993. Der Protestant Ryan arbeitet als Praktikant bei einem Sanitätsdienst. Bei einem Einsatz am Belfaster Bahnhof wird sein Kollege erschossen, er selbst schwer verletzt. Der Täter, ein Po- lizist, wird wiederum von einem unbekannten Mann getötet. Wer war der geheimnisvolle Lebensret- ter? Nach Wochen der Genesung gerät Ryan auf der Suche nach Antworten zwischen die Fronten der IRA und militanter Protestan- ten. Mitreißende Schicksale vor demHintergrund des Nordirland- Konflikts in spannender Thriller- Verpackung aus der Feder einer jungen Grazer Autorin. lesen sehen hören www.akstmk.at/bibliothek Christina Dalcher: Vox. S. Fischer 2018. 400 Seiten. Die USA in naher Zukunft. Das Unfassbare wurde Realität, reli- giöse Fanatiker haben die Macht im Staat an sich gerissen. Frauen dürfen ab sofort nicht mehr als hundert Wörter amTag sprechen, Mädchen wird die Schulbildung versagt, Empfängnisverhütung ist ein Vergehen. Die Sprachwis- senschafterin Jean McClellan will diesewahnwitzigeNachricht nicht wahrhaben. Widerwillig fügt sie sich ihrem Schicksal und hängt ihre wissenschaftliche Karriere an den Nagel. Doch dann wird genau ihre Expertise vonhöchsten politischen Kreisen benötigt. Ein feministischer Thriller. W ien, imMärz 1919: Mit Anna Boschek, Emmy Freundlich, Adelheid Popp, Gabriele Proft, Therese Schlesinger, Amalie Sei- del, MariaTusch (Sozialdemokrati- sche Partei) und Hildegard Burjan (Christlich-soziale Partei) sind acht Frauen das Gespräch einer Stadt, ja der ganzen noch jungen Nation. Was ist passiert? Das Ende des Ersten Weltkriegs hat Österreich grundlegend verän- dert. Die Habsburger-Monarchie war gestürzt worden und mit der Ausrufung der Republik am 12. November 1918 wurde das allgemeine Wahlrecht auch für Frauen eingeführt. Die ersten frei- enWahlen für Frauen undMänner erfolgten am16. Februar 1919 und im März darauf zogen jene acht Frauen als erste gewählte Man- datarinnen in das Parlament ein. Harter Erfolg der Frauen Es war ein großer Erfolg für die österreichische Frauenbewegung, der hart erkämpft werdenmusste. Denn die Idee, dass Frauen aktiv an politischen Entscheidungspro- zessen teilnehmen können, fand nicht überall Gefallen. Zeitungen warnten vor einem Sprung ins Dunkle und viele, vorwiegend männliche Beobachter, sahen die letzten Grundfeste der Ge- sellschaft in Gefahr. „Man war der Anschauung, Frauen, die sich an der Wahl beteiligen, würden ihre Weiblichkeit beschmutzen und man bezeichnete sie als minder- wertig, andersartig und unfähig“, so die Historikerin Marliese Men- del bei einem Diskussionsabend der ÖGB-Frauen in Niederöster- reich anlässlich des 100-jährigen Frauenwahlrechts. Viele Ungerechtigkeiten Heutzutage steht die Gleichstel- lung von Männern und Frauen zwar in der Verfassung, ist im Alltag jedoch keine Normalität. Nach wie vor geht es um Arbeits- bedingungen und wirtschaft- liche Unabhängigkeit. Niedrig entlohnte Teilzeitarbeit, große Einkommensunterschiede, keine Gehaltstransparenz, fehlende Kinderbetreuung und sexuelle Belästigung sind nur einige der Punkte, die nach wie vor von Un- gleichbehandlung zeugen. Alles Zustände, die einer Verbesserung bedürfen und auch auf der Agen- da des Frauenvolksbegehrens 2.0 stehen. Noch immer sind Gesetze zum Schutz der Interessen von Frauen notwendig. Und die politi- sche Themenlage zeigt ganz klar: Es gibt noch viel zu tun. AG zeit reise ein blick zurück Das Foto links aus dem Jahr 1919 zeigt sechs der sieben Frauen der Sozialdemokrati- schen Partei, die erstmals im Parla- ment die Politik in Österreichmitbe- stimmendurften. Rechts: Überpar- teilich ausgerich- tet und in der Bildsprache des Jugendstils ein Plakat aus dem Jahr 1913. Es war ein weiter Weg zum Recht der Frauen, aktiv und passiv an demokratischenWah- len teilzunehmen. In Österreich haben Frauen vor genau 100 Jahren erstmals bei Parla- mentswahlen mitgestimmt, acht Frauen waren die ersten gewählten Mandatarinnen. Etappen zum Frauenwahlrecht • 1849 bis 1861: Wahlrecht auf Gemeinde- und Landesebene für Besitzende (auch Frauen) und Gebildete • 1884 bis 1904: Entzug von Gemeinde- und Landtagswahl- recht für steuerzahlende Frauen in mehreren Bundesländern • 1918: Einführung des allgemei- nen Wahlrechts für alle Staats- bürgerinnen und Staatsbürger Erkämpfte Frauenrechte • 1919: Verbot der Nachtarbeit für Frauen und Jugendliche • 1920: Verbot der Diskriminie- rung aufgrund des Geschlechts • 1957: Mutterschutzgesetz • 1975-1978: Der Ehemann darf seiner Frau nicht mehr verbie- ten, berufstätig zu sein. • 1979: Gleichbehandlungsgesetz • 1982: Mutterschutz auch für selbstständig tätige Frauen • 1993: Gleicher Lohn für gleich- wertige Arbeit zak info Frauenwahlrecht wurde 100 Jahre Klett-Cotta Böhlau Morawa Lesezirkel S. Fischer Wiener Bilder ÖGB Fotoarchiv 28 | ZAK ZAK | 29

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