20210225_ZAK_direkt_Dezember_2019

2 | ZAK direkt ZAK direkt | 3 Zukunft der Pflege Die Landeskrankenhäuser sind eine wichtige Säule des steirischen Gesundheitswesens. Doch die Spitäler kämpfen mit Personalnot, Bürokratie und Arbeitsdruck. Betriebsräte appellieren an die Verantwortlichen, dringend notwendige Verbesserungen für das Personal umzusetzen. Hilfeschrei aus den Spitälern: „Wir brauchen mehr Personal!“ Das LKH Feldbach hat – wie auch viele andere steirische Spitäler – mit Personalengpässen zu kämpfen. Knappes Personal, fehlen- de Arbeitsmittel, Arbeits- verdichtung: ein Cocktail, der immer öfter den Berufs- alltag prägt. Damit steigt die Fehlerwahrscheinlich- keit. Doch wer trägt im Fal- le des Falles die Verantwor- tung? Berufsangehörige sind auf- grund ihrer Kompetenz die ersten, die offensichtliche Unzulänglichkeiten bei Pfle- ge und Betreuung erkennen (müssen). Sie dürfen dieses Wissen keinesfalls für sich behalten, da sie sonst für allfällige Folgen Verantwor- tung übernehmen würden. Unzulänglichkeiten, die die Gesundheit und Sicher- heit von Patientinnen und Patienten, aber auch des Personals gefährden, sind zunächst im Team zu lösen. Ist dies nicht möglich, sind sie über den Dienstweg zu melden, mündlich oder per Mail. Bleibt der „Hilferuf“ er- folglos, empfiehlt sich eine schriftliche Gefährdungs- meldung. Dafür gibt es Musterformulare. Erst wenn der Arbeitgeber nachweis- lich über unhaltbare Situa- tionen Kenntnis hat, ist man als Mitarbeiterin bzw. Mitar- beiter rechtlich entlastet. alexander.gratzer@akstmk.at Gefährdungen melden das recht im beruf AK-Experte Mag. Alexander Gratzer § I n den steirischen Spitälern leistet das Personal Tag für Tag hervorragende Arbeit. Doch die Arbeitsbedingungenwerden für die Beschäftigten in den Kran- kenhäusern immer belastender. Die Anforderungen nehmen zu, „aber das Personal wird nicht mehr, dieÜberlastungsanzeigen steigen“, klagt etwa Christian Fürntrath, Betriebsratsvorsit- zender am LKH Feldbach und Aufsichtsratsmitglied der Spi- talsgesellschaft KAGes. Angespannte Personalsituation „Im Schnitt sind 300 Dienst- posten nicht besetzt. Dieses Volumen wird 2020 wieder schlagend“, so Fürntrath. „Die Personalberechnung ist nicht mehr adäquat“, fordert Fürn- trath einen „Personalstand, den man braucht, um auch Fehlern vorzubeugen“. Derzeit sind rund 900 Personen am LKH Feld- bach beschäftigt, darunter viele Frauen. „Wir haben eine hohe Teilzeitquote“, sagt Fürntrath. Doch selbst diese Teilzeitkräfte müssten immer öfter Mehrstun- den leisten, kritisiert Fürntrath die „immer angespanntere Per- sonalsituation“. ImSinne derVer- einbarkeit von Familie und Beruf wäre aus Fürntraths Sicht auch eine hauseigene Kinderbetreu- ungseinrichtung wichtig. „Aber die fehlt uns“, bedauert Fürn- trath. Ohne Kinderbetreuung sei es auch schwer, überhaupt neues Personal zu finden. Verwaltungsaufwand steigt Im LKH-Verbund Feldbach- Fürstenfeld werden jährlich rund 19.000 Personen stationär behandelt, in den Ambulanzen zählt man 150.000 Kontakte im Jahr. Da fällt auch viel Bürokratie an, weiß Fürntrath: „Der ganzeVerwal- tungsaufwand ist in der Pflege nicht mehr zu schaffen.“ Und mit steigen- den Patienten- und Patientinnen- zahlen würden auch gewalttätige Übergriffe aufs Personal zunehmen. Keine Nachbesetzungen Ganz ähnliche Herausforde- rungen schildert Franz Schach- ner, Betriebsratsvorsitzender am LKH Judenburg. Es sei ein „Riesenproblem, dass wir nicht einmal die Personalbedarfsbe- rechnung umgesetzt kriegen“. Dazu „können wir noch etliche Dienstposten nicht besetzen“. So gebe es für Beschäftigte in Altersteilzeit keine adäquaten Nachbesetzungen. Schachner schätzt, dass mindestens 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbei- ter fehlen, damit„man komplett über die Runden kommt“. Ausbildung in der Region 346 Pflegekräfte sowie Ärztin- nen und Ärzte zählen aktuell zum Personalstand in Juden- burg. Wie in Feldbach tut sich auch das LKH Judenburg bei der SuchenachPersonal schwer. Das hat auch mit der Ausbildung zu tun, die hauptsächlich in Graz und Leoben absolviert wird. Das trägt laut Schachner zur Abwanderung bei, daher„sollte Ausbildung bei uns in der Regi- on stattfinden“. Viele Krankenstände Auch in Judenburg arbeiten vie- le Teilzeitkräfte – dazu komme ein hoher Altersdurchschnitt des Personals, so Schachner. Stationen und Ambulanzen seien unterbesetzt, vor allem nachts. Aufgrund personeller Engpässe sei Einspringen für Kolleginnen und Kollegen an der Tagesordnung. „Permanen- te Dienstplanänderungen sind eine Belastung für das Personal. Die Leute werden ausgenutzt, können ihren Urlaub nicht ab- bauen. Der Druck steigt, es gibt immer mehr Krankenstände. Es geht nicht mehr.“ Entlastung gefordert Die zunehmende Bürokratie verschärft die Situation noch: „Die Schwestern machen im- mer mehr Schreibarbeiten und kommen komplett weg vom Patienten. Es kann nicht sein, dass das nicht die Verwaltung übernimmt“, so Schachner. Un- terstützung kommt von AK- Präsident Josef Pesserl: „Um die Versorgungssicherheit und die Versorgungsqualität für die Pa- tientinnen und Patienten auch weiterhin sicherzustellen und die Beschäftigten vor der Schä- digung ihrer Gesundheit zu be- wahren, ist es höchst an der Zeit und dringend erforderlich, den Spitälernmehr Personal zur Ver- fügung zu stellen. Wir fordern die Verantwortlichen auf, end- lich zu handeln.“ Dem pflichtet ÖGB-Landesvorsitzender Horst Schachner bei: „Letztlich ist das ein Sparen bei den Patientinnen und Patienten - und das kommt uns teuer.“ DW „Wir fordern die Verantwortlichen auf, endlich zu handeln.“ Josef Pesserl, AK-Präsident Diplompflege: AK fordert zusätzliche FH-Studienplätze D er Beruf der diplomierten Gesundheits- und Kran- kenpflege gilt in der Steiermark seit 2010 immer wieder als Man- gelberuf. Gleichzeitig belegen Studien, dass der Pflegebedarf durch die Alterung der Gesell- schaft und den Fortschritt inMe- dizin und Pflegeweiter ansteigt. Mehr Bewerbungen als Plätze Dennoch ist die Zahl an Pfle- geausbildungen rückläufig. Ha- ben 2010 noch 716 Studierende eine Diplompflegeausbildung begonnen, sind es 2019 nur noch 270. Im Jahr 2020 sollen es nur noch 144 sein, wenn, wie an- Die Zahl der Ausbildungsplätze kann nicht mit dem stei- genden Pflegebedarf mithalten. Dabei ist das Interesse an Pflegeausbildungen größer als das Angebot. gekündigt, die Landeskranken- pflegeschulen ihr Ausbildungs- angebot vorzeitig einstellen, ohne dass eine vergleichbare Anzahl an Fachhochschul-Stu- dienplätzen geschaffen wurde. Die Verlagerung der Diplom- pflegeausbildung an die FH hat aufgrund fehlender Studienplät- ze nicht zumehr Pflegepersonal geführt. Dabei war über die Jahre hinweg das Interesse an Pflegeausbildungen größer als das Angebot. So gab es im Jahr 2018 bei 896 Bewerbungen nur 252 Ausbildungsplätze. Im Jahr 2019 bewarben sich 691 Perso- nen um 270 Plätze. Anforderungen steigen Die stark favorisierte zweijährige Pflegefachassistenzausbildung ist jedenfalls nicht geeignet, die Diplompflege (dreijährig) zu ersetzen, zumal die Anfor- derungen in der Pflege durch Multimorbidität, Demenz und medizinische Aufgaben zu- nehmen. Die Verringerung von Diplompersonal zugunsten der Assistenzberufe birgt zudemdie Gefahr, dass die Pflegequalität sinkt, weshalb sich die Studien- platzzahl amNiveau der bisheri- genDiplomabsolventinnen und -absolventen orientieren muss. Landesregierung gefordert Die AK Steiermark fordert daher die Landesregierung auf, rasch für eine deutliche Erhöhung an FH-Studienplätzen für den Studienzweig Gesundheits- und Krankenpflege zu sorgen. Die Ausbildung muss auch in verkürzter und berufsbegleiten- der Form, maturaunabhängig an FHs angeboten werden. Solange der steigende Ausbil- dungsbedarf an steirischen FHs nicht gedeckt werden kann, ist die Diplompflegeausbildung an den Krankenpflegeschulen jedenfalls fortzuführen. An der FH Joanneum soll es mehr Pflegestudienplätze geben. ÖGB-Landesvorsitzender Horst Schachner Christian Fürntrath, Betriebsrats- vorsitzender am LKH Feldbach DW AK | Temel, AK | Graf-Putz, KAGes, BR LKH Feldbach FH Joanneum Franz Schachner, Betriebsratsvor- sitzender am LKH Judenburg

RkJQdWJsaXNoZXIy MTA1MzY1Nw==