02_ZAK Februar 2019_END_WEB

Zuschlagsfrei zwölf Stunden arbeiten – über neue Gleit- zeitverträge versuchen immer mehr Unternehmen, das 12-Stunden-Gesetz bis auf das Letzte auszureizen. Übles Spiel mit zwölf Stunden Gleitzeit Beruf & Recht Seite 16 – 20 „Alsichentlassenwurde,hatsichdieAKfürmich umalles gekümmert. Durch eine Behinderung hat für mich erhöhter Kündigungsschutz bestanden. Ich war dann überrascht, als ich eine Nachzahlung von meinem Arbeitgeber von 4.900 Euro erhalten habe. Für mich ist die AK die wichtigste Einrichtung überhaupt. Es gibt keine zweite ähnliche Einrichtung. Man bekommt immer eine richtige und freundliche Beratung. Ohne die AK würden mehr Unter- nehmen machen, was sie wollen.“ Peter Rohrer MEIN AK-ARBEITSRECHT Willi Tell Der Karfreitags-Gerichtsent- scheid sorgte im Jänner für allgemeine Unklarheit und Kopfschütteln. Gilt dieser Feiertag nun für alle Arbeit- nehmer? Oder weiterhin nur für Angehörige der evan- gelischen Kirche? Oder für niemanden mehr? Das Cha- os war perfekt! Das klare Be- kenntnis von AK-Präsident Josef Pesserl zugunsten einer Verankerung des Karfreitags als gesetzlichen Feiertag für alle Arbeitnehmer löste auch auf der AK-Facebookseite eine hitzige Diskussion aus: „Das geht viel zu weit – wir haben mehr als genug Feier- tage“, so ein User. Ein anderer stellte die Frage: „Wer soll denn das alles bezahlen?“ Der einstimmige Tenor der Gegenseite: Eine richtige Ent- scheidung, absolut fair und längst überfällig! Ganz egal, welche Position man in die- ser Debatte einnimmt – eines ist klar: Es handelt sich um ein emotionales Thema, das den Menschen am Herzen liegt und diskutiert werden muss. Genau dafür wurde die AK- Facebookseite geschaffen: Für sachliche Informationen, lebhafte Diskussionen und den Austausch von Meinun- gen. Und die User nehmen dieses Service gerne an. Denn insgesamt beteiligten sich mehr als 1.100 User mit Kommentaren, Klicks oder Likes an dieser wichtigen De- batte! So funktioniert Diskus- sionskultur 2.0. Diskussions- kultur 2.0 dis kutiert Michael Radspieler Die heimische Karfreitags-Regelung ist aufgehoben. Der von der Regierung angekün- digte„Viertel-Feiertag für alle“ wirft viele neue Fragen auf. D as Urteil des europäischen Gerichtshofs zum Karfrei- tag greift tief in das heimische Rechtssystemein. Zentraler Punkt: Die Karfreitagsregelung verstößt gegen EU-Recht. Denn ein bezahl- ter Feiertag nur für Angehörige bestimmter christlicher Kirchen ist diskriminierend. AK-Präsident Josef Pesserl: „Am einfachsten lässt sich diese Diskriminierung beheben, indemder Gesetzgeber den Karfreitag zum gesetzlichen Feiertagbestimmt.“ Das entspricht auch dem Wunsch der Bevölke- rung: Eine von der AK beauftragte Umfrage ergab, dass 81 Prozent diese Lösung wollen. Viertel-Feiertag DiesemWunsch der Beschäftigten wollte die Regierung nicht folgen, sie hat den bisher nichtexistie- renden Viertel-Feiertag für alle ab 14 Uhr erfunden. Eine Regelung, die „keine Lösung ist“, sagt Pes- serl enttäuscht, denn den einen werde der ganztägige Feiertag weggenommen und die anderen könnten kaum davon profitieren, weil sehr viele am Karfreitag nur bis Mittag arbeiten. Dazu kommt eine Reihe rechtli- cher Probleme:Was ist, wennman denganzenFreitag frei habenwill? Was ist bei Schichtdienst?Was gilt bei Teilzeit? Darf die Arbeitszeit auf den Vormittag verschoben werden? Was gilt bei Arbeit nach 14 Uhr? Darf der Handel aufsper- ren und welche Regelung gilt für die Beschäftigten? SH Karfreitag: wenig durchdachte Pläne Da sie als Schwangere im Labor nicht mehr arbeiten durfte, sollte eine Obersteirerin mit fadenscheinigen Vorwürfen entlassen werden. D ie Obersteirerin war als La- borantin tätig, als sie dem Dienstgeber, einemBetrieb imBe- zirk Leoben, ihre Schwangerschaft meldete. Die Schutzbestimmun- gen desMutterschutzgesetzes se- hen in demFall vor, dass Arbeitsin- spektorat und Betriebsmediziner den Arbeitsplatz überprüfen. „Schwangere dürfen für gesund- heitsgefährdende Tätigkeiten nicht mehr eingesetzt werden“, sagt die Leobner AK-JuristinHelga Wider-Jobstmann. Im Labor des Betriebes wird mit gefährlichen Substanzen hantiert, deshalb bestand Gefahr für die Gesund- heit von Mutter und Kind. Da der Dienstgeber vorerst keinen Ersatzarbeitsplatz anbieten konn- te, musste er entsprechend den Bestimmungen die schwangere Laborantin bei voller Bezahlung vom Dienst freistellen. Schwangere sollte entlassen werden G leitzeit bedeutet, man kann den Beginn und das Ende der täglichen Arbeit in gewissen Grenzen frei gestalten. Diese Flexibilität haben sich die Beschäf- tigten durch zuschlagsfreie Stun- den erkauft – bisher waren das die neunte und zehnte tägliche Arbeitsstunde. Seit dem neuen Arbeitszeitgesetz können auchdie elfte und zwölfte tägliche Arbeits- stunde als zuschlagsfreie Gleitzeit vereinbart werden. Ganztägiger Verbrauch Die Regierungwollte sich eineDis- kussionüber das Arbeitszeitgesetz ersparen und peitschte es ohne Begutachtung durchs Parlament. Proteste der Arbeiterkammer und der Gewerkschaften im Vorfeld bewirkten zumindest, dass ein ga- rantierter ganztägiger Verbrauch im Gesetz verankert wurde.„Viele Unternehmen legen ihren Be- schäftigten Gleitzeitverträge vor, wo zwar die zuschlagsfreie Zeit mit zwölf Stunden festgelegt ist, wo aber keine Regelung zum Verbrauch der Gleitzeit getroffen wird oder ein Verbrauch nur in Absprache mit dem Chef möglich ist“, berichtet Biljana Bauer aus der Beratungspraxis. Verträge prüfen lassen Betroffen sind Betriebe ohne Betriebsrat, die bisher bis zu zehn Stunden tägliche Gleitzeit haben oder die überhaupt neumit Gleit- zeit beginnen wollen.„Wenn viele andere unterschreiben, können sich die restlichen Beschäftigten dem Druck kaum entziehen“, bestätigt die Expertin, dass wie befürchtet die Freiwilligkeit beim neuen Gesetz nur am Papier be- steht. Die Arbeiterkammer bietet an, die Verträge prüfen zu lassen, und auf Wunsch auch, dass das Unternehmen auf die Rechtslage aufmerksam gemacht wird. Eine Million Betroffene Derzeit geht es also um Betriebe ohne Betriebsrat. Allerdings wer- den neuerdings auch Betriebsrä- tinnen und Betriebsräte mit den Wünschen der Unternehmen nach einer neuen betrieblichen Gleitzeitvereinbarung mit zwölf zuschlagsfreien Stunden pro Tag konfrontiert. Insgesamt arbeiten in Österreich etwa eine Million Menschen – also knapp ein Drit- tel aller Beschäftigten – in Gleit- zeit, vor allem im IT-Bereich, bei Banken und im Handel. Dass es tatsächlich eine freie Zeiteintei- lung gibt, ist allerdings nur ein Wunschtraum, vier von fünf Be- schäftigten (79 Prozent) gaben im Vorjahr bei einer großenAK-Studie an, die Gleitzeit müsse nach der anfallenden Arbeit ausgerichtet werden. SH Nach und nach sickert der 12-Stunden-Tag in den Arbeitsalltag ein. Derzeit versuchen Unternehmen, die zuschlagsfreie Gleitzeit auf zwölf Stunden auszudehnen. Haltlose Vorwürfe Das Unternehmen stellte in wei- terer Folge zwar einen Ersatzar- beitsplatz zur Verfügung. Dann aber setzte es seine Energie dazu ein, die Schwangere so schnell wie möglich loszuwerden und warf der Frau in einem kurzen Zeit- raum mehrere Verfehlungen vor. Die Juristin vermutet, dass „das Dienstverhältnis durch Entlas- sung enden“ sollte. „Schwangere Dienstnehmerinnen haben einen besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz, der Dienst- geber muss in solchen Fällen die Zustimmung des Gerichts einho- len“ erklärtWider-Jobstmann. Tat- sächlich brachte der Dienstgeber eine Klage beim Arbeitsgericht ein. Mit Hilfe der AK konnte im Gerichtsverfahren die Entlassung abgewendet werden, es gab eine Einigung zur Auflösung des Dienstverhältnisses mit Zahlung einer freiwilligen Abfertigung. SH Die AK verhin- derte, dass eine schwangere Laborantin ent- lassen wurde. Temel | AK privat ©gpointstudio - stock.adobe.com 16 | ZAK ZAK | 17

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