03_ZAK April 2019_END_Web
MOBBING Beruf & Recht Beruf & Recht AK-Experte HelgeWolfsgruber antwortet: In vielen Berufen sind Dienst- autos Alltag. Fahrzeuge mit GPS-Navigationssystemen könnten von der Firmenlei- tung überwacht werden. Vor dem Einbau solcher Systeme ist eine Betriebsvereinbarung zwischen der Firmenleitung und den Beschäftigten (bzw. der Arbeitnehmervertretung) abzuschließen. Esmuss genau definiert werden, zu welchem Zweck das System installiert wird und wofür die Daten verwendet werden. Wenn es keinen Betriebsrat gibt, ist die Zustimmung des bzw. der Betroffenen notwendig, wenn dadurch die Menschenwürde berührt wird. Betriebsvereinbarung muss getroffen werden Weiters ist zu beachten, dass das System in der arbeitsfrei- en Zeit deaktiviert werden kann, um die Firma daran zu hindern, private Standorte und Routen der Beschäftigten nachDienstende oder amWo- chenende nachzuvollziehen. Private Nutzung von Dienstautos mit GPS? ak tipp Beschäftigte in Gesundheits- und So- zialberufen kommen besonders oft zur Arbeiterkammer, um sich gegen Mobbing am Arbeitsplatz zu wehren und das gezielte Schikanieren zu beenden. D ie AK kämpft seit Jahren gegen Schikanen amArbeitsplatz und betreibt deshalb eine Beratungsstelle für Mobbingopfer. Rund 200 persönliche Beratungen werden pro Jahr ge- führt. Etwa 60 Prozent der Betroffenen sind zwi- schen45und55 Jahre alt. AK-ExpertinMichaela Demmel-Fromm beobachtet bei den Bera- tungen eine Häufung von Beschäftigten, die im Gesundheits- und Pflegebereich arbeiten: „Rund 25 Prozent aller Beschwerden kommen aus diesem Bereich.“ Häufig erkundigen sich die Ratsuchenden, wie sie sich verhalten sollen, um die belastende Situation zu entschärfen, sie fragen, welche Handlungsmöglichkeiten sie bei Konflikten, Gewalt und Psychoterror am Arbeitsplatz haben oder welche rechtlichen Schritte unternommen werden können, um das Mobbing gegen sie zu stoppen. Hilfe suchen Innerhalb des Unternehmens können sich Betroffene an den Betriebsrat, Sicherheits- vertrauenspersonen, Sicherheitsfachkräfte, Behindertenvertrauenspersonen oder an Betriebsärztinnen bzw. Betriebspsychologen wenden. Wird der Arbeitgeber eingeschaltet, muss er seiner Fürsorgepflicht nachkommen und tätigwerden. GeeigneteMaßnahmen sind veränderte Diensteinteilungen und Schicht- pläne, die verhindern, dass Opfer und Täter zusammenarbeiten müssen. Mediation und Supervisionen sind ebenfalls häufig genutzte Instrumente. Anspruch auf Schadenersatz? Es gibt kein Anti-Mobbing-Gesetz, das bei Mobbing am Arbeitsplatz zur Anwendung zu bringen ist. In sozialen Foren und sozialen Medien kann man sich gegen Mobbing auf- grund gesetzlicher Bestimmungen wehren. Am Arbeitsplatz müssen die Betroffenen die Mobbinghandlungen beweisen. Gleichzeitig muss die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht verletzt haben, weil er keine geeignete Abhilfemaßnahmen gegen Mobbing gesetzt hat, und aufgrund dieser Mobbinghandlungen muss eine Erkrankung vorliegen, die durch medizinische Gutachten zu belegen ist. Ob diese drei Voraussetzungen vorliegen und vor Gericht beweisbar sind, ist im Einzelfall zu prüfen. AK-Service Die Arbeiterkammer bietet nicht nur Betrof- fenen Beratung an, das Service umfasst auch vorbeugende Maßnahmen. Präventiv können Betriebsrätinnen und -räte sowie Sicherheits- vertrauenspersonen mit der AK Beratungen und Vorträge für die Belegschaft organisieren. Dabei werden die Beschäftigten, aber auch Führungskräfte und Geschäftsführung für das Thema Mobbing sensibilisiert. Dieses AK- Service ist kostenlos und kann sehr individuell gestaltet werden. Informationen unter der Telefonnummer: 057799/2455. JF Hilfe bei Psychoterror am Arbeitsplatz Fürchterliche Telefonate, schreckliche E-Mails und vier Kündigungen – all das musste eineWissenschaftlerin innerhalb von fast fünf Jahren durchmachen. Im Inter- view erzählt sie über ihre Erfahrungen mit Mobbing und Diskriminierung am Arbeitsplatz. Wie hat dasMobbingbegonnen? Ich war zehn Jahre lang bei mei- ner Ex-Firma beschäftigt. Als ich meine dritte Schwangerschaft meldete, kippte die Stimmung. Nachdem mein Mutterschutz endete, forderte mich meine ehemalige Geschäftsführerin auf, dass ich sofort kündigen soll. Ich habe geantwortet, dass ich nicht kündigen werde und in Elternteil- zeit bin. Zudem habe ich meinen Beruf sehr geliebt. Ich habe mich nicht ausgekannt, warum ichwäh- rendmeiner Elternteilzeit, mit drei kleinen Kindern, kündigen sollte. Wie ist es weitergegangen? Ich bin zur Arbeiterkammer gegangen. Eine Juristin hat mich sehr gut beraten und die Geschäftsführerin eben- falls hergebeten. Ich hatte meinen Sohn dabei und sie beschimpfte ihn im Kinder- wagen: „Wegen dir sind wir jetzt da!“ Erst nachdem sie von der AK-Expertin rechtlich aufge- klärt wurde, akzeptierte sie meine Elternteilzeit und für ungefähr ein Jahr wurde die Situati- on wieder besser. Was geschah nach die- sem Jahr? Meine Ex-Chefin sag- te mir, dass sie mich loswerden will und mich zur Selbst- kündigung treiben werde. Sie wollte mich mit derart viel Arbeit überhäufen, dass ich irgendwann selbst aufgebe. Ich habe meine Arbeit aber immer pünktlich Mobbing: „Ich war am Boden und wurde krank“ erledigt. Da ich ihr keinen Grund zur Beendigung lieferte und auch nicht selbst kündigte, versuchte sie, mich am Ende meiner Eltern- teilzeit erneut zu kündigen. Es kam dann zu einer Gerichtsver- handlung. Was kam bei Gericht heraus? Die Situation am Arbeitsplatz war fürmichmittlerweile unerträglich. Aus Verantwortung meiner Fami- liegegenüberwar ichgezwungen, Wie entsteht es? Meistens ist es ein Ventil für schwer- wiegende Probleme innerhalb eines Teams oder Betriebs. Es entsteht nicht aufgrund einer einzelnen Ursa- che, sondern in einem Geflecht aus ursprünglichen Konflikten, indivi- duellen Verhaltensweisen, begüns- tigenden Rahmenbedingungen wie Zeitdruck, mangelnde Organisa- tion, Konkurrenz, private Probleme, Angst um den Job u.v.m. Wen betrifft es? Jeder Neunte wird einmal in seinem Berufsleben Ziel von Mobbing- handlungen. Frauen haben ein 75 Prozent erhöhtes Mobbingrisiko als Männer. Besonders im Fokus: Neu- linge; Personen, die als Konkurrenz betrachtet werden; Menschen, die vor der Pensionierung stehen und hinausgeekelt werden sollen; Per- sonen, die in einer Gruppe auffallen usw. Was ist es? Es ist eine Vielzahl von psychisch schmerzhaften Handlungen denk- bar, die gegen eine Person, die zum Mobbingbetroffenen wird, gesetzt werden können. Unter anderem Angriffe auf die Möglichkeiten, sich mitzuteilen, auf die sozialen Bezie- hungen, auf das soziale Ansehen, auf die Qualität der Berufs- und Le- benssituation oder auf die Gesund- heit. Was tun? • Lassen Sie sich beraten (AK, ÖGB). • Sammeln Sie Beweise (Mobbingtagebuch). • Lassen Sie sich nicht ausgrenzen. • Holen Sie ärztlichen Rat ein, wenn es Ihnen gesundheitlich nicht gutgeht. • Mobben Sie nicht zurück und bleiben Sie sachlich. der Beendigung zuzustimmen. Die AK-Juristin erzielte für mich eine einvernehmliche Auflösung mit einer Vergleichssumme von 6.400 Euro. Haben Sie jemals den Grund für das Mobbing bzw. die Diskrimi- nierung erfahren? Die Firma wollte mich ganz ein- fach nicht mehr haben. Die Ge- schäftsführung befürchtete, dass ich im„schlimmsten Fall“ noch ein viertes Kind bekomme und wie sollte es dannmit mir weitergehen. Wie ist es Ihnen in den fünf Jah- ren gegangen? Ich war am Boden zerstört. Ich bin bei Telefonaten mit meiner Ex-Chefin zusammengebrochen. Ich bin krank geworden. Was hat Ihnen geholfen? Mir war es mir wichtig, einen Cut zumachen und darüber zu reden. Meine Familie und Freunde haben mich ernstgenommen, sie haben mitgefühlt. Zudem hat die Kette in Graz gut funktioniert: Meine Hausärztin hat mich zur Arbeits- psychologin geschickt und inwei- terer Folge hat mich auch die GKK unterstützt. In dieser Zeit habe ich die Mobbingberatung der AK in Anspruch genommen. Ich habe insgesamt ein Jahr gebraucht, um mich zu erholen. Haben Sie Tipps für Betroffene? Man sollte alles mitschreiben, von jedem Gespräch das Da- tum und ein Protokoll haben. Man soll sich helfen und bera- ten lassen. NF Eine Betroffene sprach mit der ZAK offen über Mobbing durch eine Vor- gesetzte und die Konsequenzen. www.akstmk.at/schutz Mehr zumThema Fink | AK ©jandruk - stock.adobe.com 12 | ZAK ZAK | 13
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