03_ZAK April 2019_END_Web

Beruf & Recht Ständige Dienstplanänderung Videoüberwachung setzt Beschäftigte unter Druck Wofür gibt es einen Dienstplan? Mit ständigen Änderungen ihres Dienstplanes war eine Verkäuferin konfrontiert. Sie schildert ihren Alltag in einem Supermarkt, wo die Flexibili- tät der Beschäftigten überstrapaziert wurde – ein Fall von vielen. „Nachdem ich es leider selbst erfahrenmusste und es von vielen ehemaligen Kolleginnen aus dem Einzelhandel immer wieder höre, wende ich mich an Sie“, beginnt das Gespräch mit Sabine H.* Die 39-Jährige war acht Jahre bei einem Lebensmitteldiscounter beschäftigt. „Teilzeit mit 21 Stunden, damit ich Zeit für mei- ne Familie habe.“ Doch die verlangte Flexibilität machte das fast unmöglich. Der Dienstplan wurde freitags für die kommende Woche er- stellt – „zwei von drei Diensten wurden dann nicht eingehalten“. Sabine H. liefert Beispiele. Früher gehen … Ihre Plan-Dienstzeit war von 6.30 bis 13 Uhr eingetragen. Sie fing pünktlich an und zwei Stunden später hieß es dann, es seien zuweni- ge Kunden imGeschäft, umdasWeiterarbeiten aller anwesendenKolleginnen zu rechtfertigen. „Das lag einerseits ampersönlichen Empfinden der Filialleitung, andererseits an den Arbeits- stunden versus der Umsatzberechnung“, meint H. So passierte es laut der Teilzeitkraft laufend, dass sie beispielsweise drei Stunden anwesend war, dann eine Pause einlegen musste, „um die Kundenfrequenz zu beobachten“ und danach gezwungen war, die Arbeitsstelle zu verlassen. „Das Ganze hieß freundlich umschrieben ‚Minusstunden aufbauen für umsatzstärkere Zeiten‘ “, schildert H. … gar nicht kommen Dieselbe Situation gab es auch für den darauf- folgenden Dienst: Die Plan-Dienstzeit wurde mit 13 bis 20.30 Uhr festgelegt. Gegen 13 Uhr sei sie angerufen worden, dass sie erst um 14 Uhr starten darf. Um 13 Uhr wurde sie infor- miert, dass sie erst um 16 Uhr kommen brau- che, und um15 Uhr hieß es schließlich:„Es geht sich ohne deine Anwesenheit aus.“ Umgekehrt wurde sie in ihrer Freizeit amPrivathandy ange- rufen und in die Firma beordert, wenn jemand ausfiel. H.:„Das war ständig gelebter Alltag.“ Immer mehr Flexibilität Sie versuchte, die Situation zu klären, und informierte sich vor einem Gespräch mit ihrer Regionalleiterin bei der AK. Sie erfuhr, dass die Vorgehensweise der Filialleitung nichtmit dem Arbeitszeitgesetz vereinbar ist.„Das Risiko, ob genügend Kunden kommen, hat der Unter- nehmer zu tragen“, bestätigt AK-Jurist Karl Schneeberger. „Mein Interventionsversuch wurde mit ungünstigeren Diensten und noch mehr Flexibilität‚belohnt‘.“ Zudem wurde der 39-Jährigen er- klärt, dass in Zukunft sowieso noch mehr Flexibilität erwartet wird. Das war der Punkt für H., an dem sie dachte:„Moment, so nicht.“ Sie wechselte ihren Arbeitsplatz – „weg vom Handel“. Schneeberger: „Die Beispiele zeigen, dass die derzeitigen Schutzbestimmungen unzu- reichend sind und die Sicherstellung einer planbaren Arbeitszeit künftig auch durch die Behörde zu überprüfen wäre.“ JF Zuschläge fallen unter den Tisch Immer wieder ein Thema im AK-Arbeitsrecht sind (nicht bezahlte) Zuschläge. Wich- tig für etwaige Forderungen sind genaue Arbeitszeitauf- zeichnungen. K napp 3.400 Euro an Zuschlä- gen wurden einer Kassiererin (30) von ihremehemaligenDienst- geber (vorerst) unterschlagen. Während einer Beratung in der AK fiel dem Juristen Gerald Matters- dorfer die Unstimmigkeit bei den Abrechnungen auf.„Die Frau hatte laut ihremDienstplan eine Normal- arbeitszeit bis 19.30 Uhr, ab 18.30 Uhr sind aber Öffnungszeiten- Zuschläge fällig.“ Arbeitsleistun- gen unter der Woche zwischen 18.30 und 21 Uhr sowie Samstag zwischen 13 und 18 Uhr, alsowäh- rend der erweiterten Öffnungs- zeiten, sind in Handelsbetrieben zuschlagspflichtig – in Form von Zeitguthaben. Zeitguthaben ausgezahlt Da der Arbeitgeber bei der Kas- siererin in den letzten drei Jahren die Zuschläge für die erweiterte Öffnungszeit nicht berücksichtigt hatte, fiel am Ende des Dienstver- hältnisses ein Zeitguthaben von 283 Stunden an. Die AK interve- nierte beim Dienstgeber. Da ein Verbrauch des Zeitguthabens auf- grundder Beendigungdes Dienst- verhältnisses nicht mehr möglich war, wurdender Kassiererin knapp 3.400 Euro ausgezahlt. Matters- dorfer rät:„Wichtig sinddetaillierte Arbeitszeitaufzeichnungen, um gegebenenfalls ausstehende Forderungen nachweisen zu kön- nen.“ JF Kurzfristig geänderte Dienstpläne sind für Beschäftigte ein großes Problem. Ein Einblick in die Rechtslage. D as Ausmaß und die Vertei- lung der Normalarbeitszeit sind zwischen den Beschäftig- ten und der Firmenleitung zu vereinbaren, sagt AK-Jurist Karl Schneeberger. Das gelte auch für die monatlich im Voraus zu erstellenden Dienstpläne:„Die- se Einteilung kann nicht durch eineWeisung des Chefs festge- setzt werden.“ Beschäftigte kön- nen ihreWünschenach anderen Arbeitszeiten vorbringen. Abweichung 14 Tage vorher Unter gesetzlich sehr eng ge- stecktenGren- zen kann der D i en s t p l an auch einseitig von der Geschäftsleitung ge- ändert werden, sagt der Jurist, das aber zumindest 14 Tage im Voraus: „Nur in extremen Aus- nahmesituationen darf diese Frist unterschritten werden.“ Dazu zählt grundsätzlich nicht, dass eine Kollegin krank gewor- den ist, jemand eine Schulung besucht oder Urlaubszeit ist. Für diese üblichen Ausfallszeiten sind vom Dienstgeber perso- nelle Vorsorgen zu treffen. Eine Grippewelle, die viele Beschäf- tigte gleichzeitig erwischt, sei eine denkbare Extremsituation, die kurzfristige Dienstplanän- derungen rechtfertige. JF Der technische Fortschritt hat es möglich gemacht: Arbeitgeber können ihre Bediensteten am Arbeitsplatz und außerhalb fast lückenlos überwachen – und nutzen dies immer mehr. Aber nicht alles ist erlaubt. V ideoüberwachung am Arbeitsplatz, Mit- lesen von E-Mails, Kontrolle des Surfver- haltens im Internet oder Auswertung der GPS-Daten: Technisch ist die Überwachung der Beschäftigten heute kein Problem und kommt im Supermarkt genauso vor wie in einer Fabrik oder einem Büro. Doch Arbeit- geberinnen und Arbeitgeber dürfen nicht alles. Es gibt Einschränkungen: Grundsätzlich müssen die Beschäftigten und der Betriebsrat darüber informiert werden. Kontrollmaßnah- men und technische Systeme zur Kontrolle der Beschäftigten bedürfen der Zustimmung des Betriebsrates in Form einer Betriebsver- einbarung. Das Datenschutzgesetz 2018 und die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) regeln eindeutig, dass Videoüberwachung zur Beschäftigtenkontrolle verboten ist. Zulässig nur im Einzelfall Zulässig ist die Videoüberwachung nur, wenn ein Unternehmen ein berechtigtes Interesse hat, wie beispielsweise zumSchutz vor bzw. bei der Hilfe zur Aufklärung von Diebstählen oder Überfällen. Der Einsatz vonVideoüberwachung muss verhältnismäßig sein.„Ohne Zustimmung des Betriebsratesmittels Betriebsvereinbarung ist eine derartigeMaßnahme unzulässig. In der Betriebsvereinbarung ist jedenfalls zu regeln, was genau aufgezeichnet wird, für welche Dauer die Aufzeichnungen gespeichert (ma- ximal 72 Stunden laut Gesetz) werden und welche Personen sowie unter welchenVoraus- setzungen diese das Recht auf Einsicht in die Aufzeichnungen haben“, erklärt AK-Arbeitneh- merschutzexpertin Biljana Bauer. „Andernfalls bleibt nur noch der Weg zum Arbeitsgericht und/oder zur Datenschutzbehörde.“ JF Angestellter frontal gefilmt S Seit 15 Jahren arbeitet Josef R. in einer Grazer Trafik, immer zur vollsten Zufriedenheit seines Arbeitgebers. Von einem Tag auf den anderen wurden plötzlich ohne Vorwarnung und ohne die Zustimmung des 40-Jährigen zweiVideokameras installiert: Eine Kamera war auf ein Warenregal gerichtet, die zweite direkt auf seinen Platz hinter der Kassa. Der Grazer litt unter der ständigen Videoüberwachung, fühlte sich in seinerMenschenwürde verletzt. Schlaflose Nächte waren die Fol- ge, obwohl sich der Angestellte nie etwas zu Schulden kommen hatte lassen. So nicht erlaubt Zusammen mit zwei weiteren Ar- beitskollegen ließ sich der 40-Jäh- rige bei der AK beraten und auf ein klärendes Gespräch mit dem Chef vorbereiten. „Diese Form der Überwachung ist jedenfalls verboten. Klar unzulässig ist es da- her, wenn Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber die Arbeitsleistung von im internen Bereich tätigen Beschäftigten durch Kameras beobachten“, erklärt AK-Arbeit- nehmerschutzexpertin Biljana Bauer. Nach dem Gespräch mit ihrem Chef wurde die Kamera, die auf den Arbeitsplatz gerichtet war, entfernt. Chef mit Kamera auf Fehlersuche „Eine Videoüberwachung im Be- trieb soll der Vermeidung von strafbaren Handlungen dienen, nicht aber dem Zweck der Mitar- beiterkontrolle“, stellt AK-Arbeit- nehmerschutzexpertin Biljana Bauer klar. Daher dürfen Aus- wertungen der Aufzeichnungen auch nur bei Verdachtsmomenten durchgeführt werden. Bei einer 20-jährigen Verkäuferin wurde diese Regel über Bord geworfen und sie wurde mit den Worten: „DieWarewurde falsch einsortiert. Es ist alles am Video zu sehen.“ konfrontiert. Die junge Frau war völlig überrumpelt und fassungs- los, hieß es doch immer, dieVideo- überwachung sei nur wegen der Kunden installiert. Auch hätte sie ihren Fehler bei einem normalen Mitarbeitergespräch auf jeden Fall eingestanden, hatte sie diesen doch nicht mit Absicht begangen. Gegen das Gesetz „In diesem Fall ist die Auswer- tung unzulässig und zudem ohne Betriebsrat erfolgt“, sagt Bauer. Der Vorfall führte dazu, dass das Unternehmen ab nun bei Auswer- tungen zwei Passwörter benötigt, wovon eines der Betriebsrat hat. DieVerwarnung der überwachten Verkäuferinwurde zurückgenom- men. „Wurde ein Krankenstand gemeldet, bekam zu hören, man hätte gefälligst krank zu sein, wenn man frei hat.“ Sabine H., ehemalige Verkäuferin im Lebensmittelhandel Karl Schneeberger RECHTSLAGE ©StockPhotoPro - stock.adobe.com Graf-Putz | AK www.akstmk.at/arbeitsrecht Mehr zumThema www.akstmk.at/schutz Mehr zumThema *Name geändert; der Redaktion bekannt. 14 | ZAK ZAK | 15

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