03_ZAK April 2019_END_Web

U nsere Gesellschaft funktioniert nur, weil Frauen ständig unbezahlt zugreifen, wo sich Männer drücken: bei der Hausarbeit, bei der Betreuung unserer Alten und beim Aufziehen der Kinder. 64 Prozent der gesamten Arbeitszeit von Frauen ist unbezahlt, weiß AK-Expertin Bernadette Pöcheim. Abgesehen von laufenden Lohneinbußen wirkt sich diese unbezahlte Arbeit später bei der Pensionshöhe dramatisch aus:„Die Pension richtet sichweitgehend nach dem Lebenseinkommen, und das ist aufgrund der Karriereunterbrechung wegen der Kinder und der Teilzeitarbeit von knapp der Hälfte aller Frauen gering.“ Ein Kind ein Jahr betreuen – 28 Euro Pension Zu einem geringen Teil wird die Kindererziehung für die Pension angerechnet, auch wenn in diesem Zeitraumkeine Pensionsbeiträge bezahlt werden. Für jedes Kindwerdenmaximal vier Jahre berücksichtigt und pro Jahr Kindererziehung gibt es 28 Euro als monatliche Pensionsleistung. Eine Frau, die also vier Jahre lang wegen der Kinder daheim bleibt, erhält dafür in der Pension monatlich 112 Euro. Viele Jahre Teilzeit sind eine Armutsfalle Weil aber Kinder nach vier Jahren nicht erwachsen sind und noch viel Zuwendung brauchen, wählen danach viele FrauenTeilzeitarbeit.„Dazu kommt, dass eine gute und günstige ganztägige Kinderbetreuung noch immer nicht flächendeckend angeboten wird“, kritisiert Pöcheim. So bleibt das vielzitierte Schlag- wort von der Vereinbarkeit zwischen Beruf und Fa- milie eine hohle Phrase. Und Teilzeitarbeit bedeutet, dass nur geringe Beiträge auf das Pensionskonto wandern. „Wer monatlich 1.500 Euro verdient, be- kommt nach 45 Jahren 1.200 Euro Pension. Bei einer Halbierung auf Teilzeit sind es nur 600 Euro“, zeigt die Expertin drastisch die Folgen auf. Rechtzeitig etwas tun Die AK-Frauenreferentin rät, sich schon frühzeitig um eine bessere Pension zu kümmern. Trotz der grundsätzlich schlechtenAusgangslage für Frauen im heimischen Pensionssystem gebe es Möglichkeiten, gegen Altersarmut etwas zu tun. Die AK-Frauen- abteilung und die Expertinnen und Experten vom AK-Sozialrecht stehen für ausführliche Beratungen zur Verfügung. SH Hoch geschätzt, finanziell unbedankt AK-Expertin Bernadette Pöcheim antwortet: Der große Vorteil der Eltern- teilzeit ist, dass die Arbeit- geberin bzw. der Arbeitgeber auf die Betreuungspflichten der Eltern Rücksicht nehmen muss. Zudem ist das Leisten von Mehr- und Überstunden nur mit Zustimmung der El- tern möglich. Während der Elternteilzeit hat man die Möglichkeit, die Stunden- anzahl einmal zu verändern oder die Elternteilzeit vorzeitig zu beenden. Nach der Eltern- teilzeit hat man das Recht, zur ursprünglichen Stundenan- zahl zurückzukehren. Zudem besteht ein besonderer Kün- digungsschutz. Teilzeit hat keinen Kündigungsschutz Bei der „ungeschützten“ Teil- zeit ist all dies nicht möglich. Eine Stundenänderung ist nur mit Zustimmung der Firmen- leitung möglich. Zudem ist, sofern vertraglich vereinbart, das Leisten von Mehr- und Überstunden zulässig. Wie unterscheiden sich Teilzeit und Elternteilzeit? ak tipp Ihre Lehre fing damals gut an – kein Hinweis darauf, wie ekelhaft es für eine mittlerweile 23-jährige Grazerin noch werden würde: verbale sexuelle Belästigungen und Belei- digungen standen auf der Tagesordnung. 2011 begann sie in einem Bä- ckereiunternehmen als Lehrling, danach blieb sie als Bäckergesellin beschäftigt. Vor rund eineinhalb Jahren fing es dann an – verbale Übergriffigkeiten des Seniorchefs. „Er beleidigte sie und es kam zu verbalen Belästigungen“, schil- dert AK-Frauenexpertin Christina Poppe-Nestler, die sich um den Fall der jungen Frau kümmerte. Weit unter der Gürtellinie Fehler, die während der Arbeit passierten, wurden immer von „Scheiß Weiber“: Seniorchef fand selten den guten Ton Ein Konzern wollte einen begünstigt behinderten Mitar- beiter loswerden. Um den Kündigungsschutz zu umge- hen, versuchte es die Firmenleitung mit einer Entlassung. B egünstigt behinderte Arbeit- nehmer genießen einen Kün- digungsschutz, aber keinen Ent- lassungsschutz – „das versuchen die Arbeitgeber oft auszunutzen“, weiß AK-Arbeitsrechtsexperte Günter Triebel aus der täglichen Praxis. Sowollte ein Konzern einen Arbeiter (42) aus Graz-Umgebung nach 27 Jahren loswerden. „Der Dienstgeber hatte das schon länger versucht und als sich der Arbeitnehmer im Krankenstand befand, witterte er seine Chance“, soTriebel. Die Firmenleitung setz- te nämlich einen Detektiv auf den 42-Jährigen an, der dann ummeh- rere tausend Euro ein Gutachten erstellte. Darin wurde behauptet, Chef schickte Arbeiter Detektiv hinterher Jeden Euro vor dem Aus- geben zweimal umdrehen: Die viele unbezahlte Arbeit von Frauen führt dazu, dass im Alter Armut droht. Beruf & Recht Beruf & Recht Bessere Pensionen • bei Teilzeit jede Möglichkeit zur Aufstockung nützen • statt Stunden reduzieren eine Verlagerung der Arbeitszeit prüfen • versuchen, auch während der Kindererziehungs- zeiten erwerbstätig zu bleiben • die Möglichkeit der Veränderung von Elternteilzeit zur Stundenaufstockung nützen • gleichzeitig mit dem Partner Elternteilzeit nützen • Pensionssplitting mit dem Partner vereinbaren • Schul- und Studienzeiten nachkaufen • freiwillige Höherversicherung zak tipp Frauen arbeiten viel, ein großer Teil dieser Arbeit ist aber unbezahlt. Weil das Pen- sionssystem an bezahlter Arbeit ausgerich- tet ist, droht im Alter Armut. Die AK rät zur persönlichen Pensionsoptimierung. den „scheiß Weibern“ begangen. Einmal sagte der Seniorchef zu ihr, dass ihr „die Geilheit aus den Augen“ schauen würde und dass er sich sicher sei,„dass du zuHause abgehst wie die Post“. Schließlich wurde die Bäcker- gesellin dann angewiesen, eine nackte Frau aus Semmelteig für einen Polterabend anzufertigen. Begleitet mit den Worten, sie sol- le „ordentliche Brüste“ machen, „nicht solche Zwetschken wie bei dir“. Die gekränkte Frau teilte ihm daraufhin mit, dass sie der- artige Entgleisungen nicht mehr akzeptieren werde und er dieses Verhalten sofort beenden solle. Der Seniorchef meinte aber nur, dass er mit seiner Angestellten sprechen kann, wie es ihm passt. Diskriminierung verboten Das war der ausschlaggebende Punkt für die psychisch bereits angeschlagene Grazerin, um zu kündigen und bei der AK nach- zufragen, inwieweit man sich als Mitarbeiterin ein derartiges Verhalten gefallen lassen muss. Poppe-Nestler: „Das Gleichbe- handlungsgesetz bestimmt, dass Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts in einem Arbeitsver- hältnis verboten sind.“ Für eine erlittene persönliche Beeinträchti- gung steht ein Schadenersatz von mindestens 1.000 Euro zu. 2.500 Euro Schadenersatz Die von der jungen Frau ge- schilderten Vorfälle erfüllten die Tatbestände der sexuellen und geschlechtsspezifischen Belästi- gung. „Wir einigten uns mit dem Seniorchef außergerichtlich auf 2.500 Euro Schadenersatz“, so die AK-Frauenexpertin: „Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist kein Kavaliersdelikt, sondern kann hohe Schadenersatzansprüche nach demGleichbehandlungsge- setz nach sich ziehen. Inmanchen Fällen kann es sogar strafrechtli- che Konsequenzen haben.“ JF dass der Arbeiter ein„genesungs- widriges Verhalten“ erkennen ließe – ein Entlassungsgrund. Konzern zahlte 85.000 Euro Die AK Steiermark klagte vor dem Arbeits- und Sozialgericht aber auf Wiedereinstellung des Mannes. Der Vorwurf des Dienst- gebers wurde vor Gericht ent- kräftet, ein Vergleich geschlos- sen: Der 42-Jährige erhielt rund 50.000 Euro gesetzliche Abferti- gung und eine zusätzliche frei- willige Abfertigung von 35.000 Euro. Der Konzern musste ne- ben den Prozesskosten auch noch den Detektiv bezahlen. Die Entlassung wurde in eine ein- vernehmliche Auflösung umge- wandelt. Kein„Generalschutz“ „Wir weisen aber darauf hin, dass begünstigt Behinderte keinen ‚Generalschutz‘ genießen“, so Triebel. Eine Kündigung ist nur mit Zustimmung des Sozialminis- teriumsservice möglich. Bei einer Entlassung besteht die Möglich- keit, dagegen beim Arbeits- und Sozialgericht vorzugehen. Triebel: „Sowohl bei Gericht als auch beim Sozialministeriumsservice wer- den Betroffene von AK-Juristen vertreten. Bei jeder dieser Be- endigungsarten ist zu raten, die AK-Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen.“ JF Dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Detekteien überwacht werden, ist keine Seltenheit. ©Alexander Raths - stock.adobe.com ©Andrey Popov - stock.adobe.com www.akstmk.at/arbeitsrecht Mehr zumThema 16 | ZAK ZAK | 17

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