AnsichtsPDF_ZAK_2019_August

www.akstmk.at/betriebsrat Mehr zumThema ÖGB-Bildarchiv Bildung &Wissen Am 15. Mai 1919 beschloss die Konstituierende Nationalversamm- lung das„Gesetz betreffend die Errichtung von Betriebsräten“. 100 Jahre Betriebsrätegesetz sind ein Anlass, auf Fortschritte, aber auch Rückschläge in der betrieblichen Mit- bestimmung zurückzublicken. D as Betriebsrätegesetz (BRG) von 1919 war ein Meilenstein des Arbeitsrechts – und der Erfolg jahrzehntelanger politischer Bemühungen. Bereits 1848 waren Rufe nach Fabriksausschüssen und nachMitbestimmung der Arbeiterinnen undArbeiter laut geworden. Doch erst ab 1867 kames imKaiserreich zu Re- formen, die die Entwicklung der Arbeiterbewe- gung und der Gewerkschaften ermöglichten. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 konnten die Beschäftigtenvertretungen ihren Ein uss in den Betrieben ausbauen. Durchbruch in der Ersten Republik DieGeburt der ErstenRepublik verstanddie So- zialdemokratie für eine progressive Sozial- und Arbeitsgesetzgebung zu nutzen. Am 15. Mai 1919 wurde das BRG in der Nationalversamm- lungbeschlossen. Künftig konnten inBetrieben ab 20 Beschäftigen Betriebsräte oder – z. B. im ö entlichen Dienst – Personalvertretungen gewählt werden, deren Angehörige unter Kün- digungsschutz standen. Zu den Aufgaben der Betriebsräte zählten etwa die Überwachung bzw. Einführung von Kollektivverträgen, die Überwachung des Arbeitsschutzes und die Anfechtung der Kündigung von Beschäftigten. Unterdrückung und Comeback Schwere Rückschläge für die betriebliche Mitbestimmung brachte die Ära des Austro- faschismus (1933 bis 1938). Schon vor 1933 hatte es erste Einschränkungen für Betriebsräte gegeben, im „Ständestaat“ wurden sie dann schrittweise zurückgedrängt. Nach dem „An- schluss“ 1938 beseitigten die Nazis auch die Reste des alten Betriebsrätesystems. Nach dem Krieg, im Jahr 1947, wurde das BRG in moder- nisierter Formwieder eingeführt und im Laufe der nächsten Jahre mehrmals abgeändert. Als Neuerung wurde etwa der Zentralbetriebs- rat geschaffen, der Schutz für Betriebsräte (z. B. gegen Kündigung) ausgebaut und die Freistellung ab 200 Beschäftigten eingeführt. 1967 erhielten auch Bundesbedienstete mit demBundes-Personalvertretungsgesetz neue Mitsprachemöglichkeiten. Die Reformen der 1970er Jahre Unter SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky kames in den 70er Jahren zu zahlreichenReformen: Sowurde mit demArbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) von 1974 einArbeitsgesetzbuchgescha en, indem das Arbeitsrecht zusammengefasst wurde. Neue Bestimmungen sahen eine Drittelbetei- ligung der Betriebsräte in Aufsichtsräten vor, Unternehmensleitungenmussten Betriebsräte über Angelegenheiten, die Interessen der Beschäftigten betre en, informieren. Neu war auch, dass Beschäftigte unter 18 Jahren eine eigene Jugendvertretung wählen durften. Die Entwicklung bis heute Ab Mitte der 80er Jahre wurde das ArbVG weiter novelliert, Schutz und Rechte der Betriebsräte erweitert sowie Zentraljugend- vertrauensräte eingeführt. In den 90er Jahren wurde die betriebliche Frauenförderung im Gesetz verankert. Bis heute wird das ArbVG angepasst: 2011 etwa wurde die Stellungnah- mefrist des Betriebsrates nach der Ankündi- gung von Entlassungen auf eine Woche und die Anfechtungsfrist auf zwei Wochen erhöht. DW zeit reise ein blick zurück 100 Jahre Betriebsrätegesetz: Ein Meilenstein des Arbeitsrechts Die lange Geschichte der Betriebsräte in Österreich ist von großen Errungenschaften für die Beschäftig- ten geprägt – doch es gab auch Zeiten, in denen kei- ne Mitbestimmung in den Betrieben möglich war. 22 | ZAK

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