ZAK_01_2020_WEB

Leben & Konsum Leben & Konsum Die EU hat die alleinige Kompetenz, Handelsabkommen für die Union mit anderen Staaten abzuschließen. Für AK EUROPA ist dies daher ein besonders wichtiges Thema, weil die Auswir- kungen auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Konsumentinnen und Konsumenten und die Gesamtgesellschaft enorm sind. D ie EU-Kommission führt ak- tuell Verhandlungen über Handelsabkommen mit Staaten auf der ganzenWelt: Von Neusee- land und Australien über Vietnam bis hin zu denMERCOSUR-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay. Insbesondere die kürzlich erfolgte Einigung der EU mit den MERCOSUR-Staaten hat die Kritik an der europäischen Handelspolitik wieder lauter wer- den lassen. Denn auch dieses Ab- kommen trägt nicht zu einer fairen Globalisierungspolitik bei, fördert Umweltzerstörung und gefährdet Menschen sowie staatliche Hand- lungsspielräume. Privilegien für Investoren Der erste zentrale Kritikpunkt der AK an diesen Abkommen ist das System der Konzernkla- gerechte: Ausländische Investo- rinnen und Investoren werden privilegiert, Staaten abseits der nationalen Rechtssysteme zu verklagen. Gleichzeitig werden ihnen aber keinerlei Pflichten auf- erlegt, weswegenes nichtmöglich ist, Konzerne beispielsweise für Menschenrechtsverletzungen oder Umweltschäden zur Ver- antwortung zu ziehen. Bisherige Fälle haben verdeutlicht, dass diese Sonderklagerechte sogar notwendige Regulierungen vor- ab verhindern, weil Staaten den enormen Kosten der Verfahren zuvorkommen möchten. Rechte der Beschäftigten Der zweite zentrale Kritikpunkt ist der Umstand, dass die Nach- haltigkeitskapitel in den Han- delsabkommen, mit denen bei- spielsweise Sozial- und Umwelt- standards definiert werden, nicht sanktionierbar sind. Dies trifft vor allem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehr stark. Wichtig ist deshalb, dass die acht internati- onalen Kernarbeitsnormen vorab von den Handelspartnerinnen und Handelspartnern unterzeich- net und eingehaltenwerden. Dies würde grundlegende Rechte der Beschäftigten wahren. Auch Um- weltzerstörungen werden durch globalen Handel oft befeuert, wie Brasilien zeigt: Über 85 Pro- zent mehr Amazonas-Regenwald wurde 2019 im Vergleich zu den Vorjahren abgeholzt, um mehr Soja und Rindfleisch für den Ex- port produzieren zu können. Es braucht daher durchsetzbare Nachhaltigkeitskapitel. Außer- demmüssen Unternehmen in die Pflicht genommen werden, dass entlang ihrer Wertschöpfungs- kette Menschenrechts-, Sozial- und Umweltstandards eingehal- ten werden. Vorsorgeprinzip nach EU-Recht Das Ziel von Handelsabkommen sollte sein, dass bestehende und zukünftige Regulierungsunter- schiede abgebaut werden – aller- dings hin zu einem qualitativen System statt eines Wettbewerbs nach unten. Deshalb braucht es ein Verschlechterungsverbot und die Verankerung des Vorsorge- prinzips nach EU-Recht. Letzteres besagt, dass bereits klareHinweise auf Gefahren ausreichend sind, damit Verbote von Produkten und Verfahren verhängt sowie Schutz- maßnahmen ergriffen werden können. ZumWohl der Gesellschaft Nur mit diesen grundlegenden Änderungen der Handelspolitik kann diese der ganzen Gesell- schaft zugutekommen. Ein guter Konsumentenschutz sowie hohe Sozial-, Arbeits-, Gesundheits- und Umweltstandards sollten das gemeinsame Ziel aller Abkommen sein und dafür setzt sich die AK EUROPA ein. Handelspolitik geht uns alle an Manche Betriebe wollen Beschäftig- te, die sich im Krankenstand befin- den, trotzdem arbeiten lassen. Doch das widerspricht der Gesetzeslage. A rbeiten im Krankenstand? Immer wieder taucht inderWirtschaft die Forderungnach Teilkrankenständen auf – Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen, soweit möglich, trotz Krankheit arbeiten. AK-Expertin Biljana Bauer stellt dazu klar:„Es gibt keineTeilkrankenstände, einTeilkrankenstand ist vomGesetzgeber nicht vorgesehen. Auch das Modell der Wiederein- gliederungsteilzeit ist nicht dafür gedacht.“ Wer entscheidet über Arbeitsfähigkeit? DieWiedereingliederungsteilzeit soll es Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmern nach (län- geren) Krankenständen ermöglichen, langsam wieder in den Arbeitsalltag zurückzukehren. Die reguläreArbeitszeit wirddabei um25bis 50 Prozent reduziert, vonder Krankenkasse gibt es zur – teilweisen–Abdeckungder Einkommens- verluste einWiedereingliederungsgeld. Dieses Modell, in das auch die jeweiligen Betriebsräte eingebunden sind, funktioniert laut Bauer„sehr gut“. Die AK-Expertin betont jedoch: „Die Wiedereingliede- rungsteilzeit ist dafür gedacht, dass jemand, der arbeitsfähig ist, sich langsamwieder in den Arbeitsprozess eingliedert.“ Und: „Der zuständige Sozial- versicherungsträger und die Hausärztinnen bzw. Hausärzte haben laut Gesetz zu entschei- den, ob jemand arbeitsfähig ist oder nicht.“ Gesundheitsdaten besonders geschützt Bauer verweist darauf, dass Gesundheitsdaten besonders hohen Schutz genießen: „Arbeit- geberinnen und Arbeitgeber haben nicht das Recht zu wissen, welche Krankheit die Beschäf- tigten haben.“ Dennoch geben Beschäftigte oft gegen ihrenWillen diese Daten heraus.„Arbeit- geberinnen und Arbeitgeber wollen teilweise überprüfen, ob jemand trotz Krankenstand auch andere Tätigkeiten im Betrieb ausüben kann – doch dazu haben sie kein Recht. Arbeitneh- merinnen undArbeitnehmer können auch nicht gezwungen werden, sich z.B. von Arbeitsmedizi- nerinnen und Arbeitsme- dizinern untersuchen zu lassen. Wenn der behan- delnde Hausarzt oder die zuständige Sozialversiche- rung eine Arbeitsunfähig- keit feststellt, haben Ar- beitsmedizinerinnen und -mediziner kein Recht, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gesundzuschreiben.“ Positive Betriebskultur wichtig Dass viele Menschen trotzdem krank arbeiten gehen, hat laut Bauer mit steigendem Druck im Job sowie mit der Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes zu tun. In Unternehmen, in denen eine positive Betriebskultur und ein verantwortungsvoller Umgang mit der Ge- sundheit der Beschäftigten herrsche, „gibt es mit diesem Thema kein Problem“. DW Kein Arbeiten im Krankenstand AK-Wahl Beruf & Recht Seite 9 – 17 Bürodienst trotz Kranken- stand? Nur Hausärztin bzw. Hausarzt und der Sozialver- sicherungsträger entschei- den, wann jemand wieder arbeitsfähig ist. „Es gibt keine Teilkrankenstände, ein Teilkrankenstand ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen.“ Biljana Bauer, AK-Arbeitnehmerschutzexpertin 2019 wurde über 85 Prozent mehr Regenwaldgebiet abgeholzt als im Jahr davor. Für die AK ist klar: Europäische Han- delspolitik sollte den Menschen und der Umwelt dienen und diese nicht zerstören. Dafür müssen die Regeln angepasst und vor allem die Nachhaltigkeits- kapitel durchsetzbar gemacht werden. PV www.akeuropa.eu Infos & Newsletter ©Elnur - stock.adobe.com KK 8 | ZAK ZAK | 9

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