ZAK_02_2020_WEB_neu

Beruf & Recht Beruf & Recht Simone Günther mit ihrem Sohn Roman. Der 16-Jährige hat trotz seiner Augen- verletzungen in- zwischen eine neue Lehre begonnen. S eit dem 18. Dezember 2018 ist im Leben von Roman Gün- ther und seiner Mutter Simone nichts mehr so, wie es einmal war. An diesem Tag kam es in jenem Betrieb in Gröbming, in dem der damals 15-jährige Roman gerade eine Tischlerlehre absolvierte, zu einem folgenschweren Unfall. Der Lehrling hatte mit einer Flex gearbeitet unddieseanschließend auf einen Gabelstapler gelegt – dessen Batterie wurde jedoch gerade aufgeladen, das dabei austretende Knallgas entzündete sich und es kam zur Explosion. Roman wurde so schwer verletzt, dass er seitdem auf dem rechten Auge praktisch blind ist. „Die Druckwelle hat ein Loch ins Auge gerissen und massive Blutungen verursacht. Er hat nur noch zehn Prozent Sehkraft auf dem Auge, und das nur im Außenbereich“, erzählt Simone Günther. Strafverfahren Gegen den Lehrbetrieb wurde ein Strafverfahren eingeleitet – dabei wurde bald klar, dass das Unternehmen grob fahrlässig gehandelt hatte: Weder wurde Roman vorschriftsgemäß auf alle potenziellen Gefahren seiner Tä- tigkeit hingewiesen undmit einer Schutzbrille ausgestattet, noch hätte er überhaupt mit der Flex arbeiten dürfen. DasVerfahren en- dete mit einer Diversion, Romans Lehrherr musste letztlich ein paar hundert EuroBußgeld zahlen. Eine Entschädigung für Roman gab es nicht. Doch für Simone Günther und ihren Sohn war der Albtraum noch nicht zu Ende. Roman muss sich bis heute unzähligen Be- handlungenundUntersuchungen unterziehen. Regelmäßig pendeln Mutter und Sohn dafür von Gröb- ming nach Graz.„Die Firma kriegt eine minimale Strafe, der Lehrling kriegt nix. Und die Therapien und Gutachten muss man alle selber zahlen. Es geht umGerechtigkeit“, so Simone Günther. Zweites Auge erkrankt Dazu kamen immer neue psychi- sche Belastungen. So stellten die Ärzte bei den Untersuchungen fest, dass Roman durch eine Horn- hauterkrankung auch auf dem unverletzten linken Auge lang- sam seine Sehkraft einbüßt. „Es ist eine Keratokonus-Erkrankung. Das Sehvermögen wird immer schlechter, das schreitet ziemlich rasch voran. Auf dem bleibenden Auge, das jetzt zusätzlich überbe- lastet ist, sieht er nur 60 Prozent – mit Brille, die er erst seit dem Un- fall trägt. Roman hat große Angst, dass er irgendwann gar nix mehr sehen wird.“ AUVA lehnt Antrag ab Als wären die gesundheitlichen Probleme nicht schon genug, hat die Familie Günther auch noch an anderer Front zu kämp- fen. Die AUVA lehnte einen Antrag auf eine Versehrtenren- te für Roman ab. Der Gutachter der AUVA habe gemeint, Ro - mans Augen- verletzung sei für eine Versehrtenrente nicht ausreichend, ist Simone Günther fassungslos. „Im AUVA-Bescheid steht nicht einmal eine Diagnose über den bleibenden Schaden drin.“ Dabei sei Roman sogar beim L17-Führerschein, den er inzwischen gemacht habe, „als einäugig abgestempelt“ worden. Weil sich Romans Sehkraft weiter verschlechtern dürfte, wurde sein Führerschein auf fünf Jahre befristet. Neue Lehrstelle gefunden Die Arbeiterkammer, von der die Familie Günther schon länger unterstützt und beraten wurde, brachte in der Zwischenzeit K lage gegen die AUVA ein. Der Ausgang des Verfahrens ist noch offen. Simone Gün- ther ist verzweifelt: „Wir gehen durch die Hölle. Jeder putzt sich ab, niemand ist verantwortlich.“ Eine positive Nachricht gibt es indes: Roman hat mittlerweile wieder eine Lehrstelle gefun- den – in einem anderen Betrieb. „Mein Sohn wollte wieder was Handwerkliches machen. Und die Ärzte haben nach der Ope- ration im Sommer grünes Licht gegeben“, sagt Simone Günther. Der neue Lehrbetrieb sei „sehr kulant“ und nehme Rücksicht auf Romans zahlreiche Arzt- und Therapietermine. AK-Aufruf an Eltern AK-Experte Alexander Perissutti hofft darauf, dass sich für die Günthers noch alles zum Guten wendet. Ihm ist es ein Anliegen, dass solch schlimme Fälle wie jener von Roman künftig gar nicht erst passieren:„Eltern von Lehrlin- gen können sich jederzeit bei der Arbeiterkammer melden, wenn sie glauben, ihre Kinder werden in den Betrieben nicht richtig geschützt.“ DW Nach einem Arbeitsunfall ist der 16-jährige Lehrling Roman auf einem Auge praktisch blind. Im Rahmen eines Strafverfahrens stellte sich heraus, dass der Lehrbetrieb mehrere Schutzbe- stimmungen missachtet hatte. Romans Mutter, die teure Therapien für ihren Sohn finanzie- ren muss, kämpft nun gemeinsammit der AK um eine Versehrtenrente für ihren Sohn – doch die zuständige Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) legt sich quer. „Eltern können sich jederzeit bei der AK melden, wenn sie glauben, ihre Kinder werden in den Betrieben nicht richtig geschützt.“ Alexander Perissutti, AK-Lehrlingsexperte Äußerlich sind Roman die Verlet- zungen mittlerweile nicht mehr anzuse- hen. Bis heutebraucht Roman regelmäßig Medikamente und Therapien. Durch die Explosion wurde Romans rechtes Auge schwer verletzt. Simone Günther unterstützt Roman im Alltag, so gut sie kann. Dennoch haben beide Angst davor, dass sich Romans Sehkraft weiter verschlech- tert. Mutter kämpft für ihren verletzten Sohn: „Es geht um Gerechtigkeit“ Radspieler (4) privat 12 | ZAK ZAK | 13

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