ZAK_03_Juni
Beruf & Recht S chwangere sorgen sich zu Recht um ihre Gesundheit und die des Babys. „Es gibt besondere Schutzbestimmungen für all jene, die ihre Arbeit nicht von daheim aus erledigen können“, soAK-Frau- enexpertin Bernadette Pöcheim. Da man unter einer Atemschutz- maske nur schwer Luft bekommt, dürfen Schwangere keine Arbei- ten ausführen, die eine Maske erfordern. „In der unmittelbaren Betreuung imGesundheitsbereich dürfen werdende Mütter derzeit nicht eingesetzt werden“, erklärt Pöcheim. In Supermärkten oder Apotheken sollen Schwangere aus den Zonen mit erhöhtem Kundenkontakt abgezogen und möglichst in anderen Bereichen beschäftigt werden. Beruf & Recht Die Doppelaufgabe Beruf und Kinder belastet viele. Besonders Frauen werden derzeit stark beansprucht. Die durch das Corona- virus entstandenen Veränderungen im Alltag können sehr unter- schiedliche Auswirkungen auf berufstätige Frauen haben. O b Pflegerin, Angestellte im Lebensmittelhandel oder Kindergärtnerin, die einen Notbe- trieb aufrechterhält: Gerade jene oft übersehenen Frauen, deren Berufstätigkeit schlecht bezahlt ist und deren Leistung vielfach als Selbstverständlichkeit hinge- nommenwird, bekommen derzeit mehr Aufmerksamkeit und Dank als in Zeiten vor der Corona-Pan- demie. „Das tut den Betroffenen sicher gut, dass die Bedeutung ihrer Arbeit in der Krise so deutlich zu spüren ist“, betont Bernadette Pöcheim, Leiterin der Abteilung Frauen und Gleichstellung.„Dabei darf aber nicht übersehenwerden, dass sowohl Bezahlung als auch Arbeitsbedingungen in diesen Branchen verbessert gehören. All jene, die nun für uns ihre Ge- sundheit im Job riskieren, müs- sen uns auch nach Abebben der Infektionszahlen mehr wert sein.“ Mit der Angst einer Mitarbeiterin, sich mit Corona zu infizieren, konnte ein Arzt nicht umgehen: Er entließ sie. Dabei wollte sie nur den Dienst tauschen. Die AK Steiermark vertritt die Sekretärin nun vor Gericht. D ieGefahr einermöglichenAn- steckungmit Corona machte einer jungen Steirerin nervlich stark zu schaffen. Sie war zum Zeitpunkt des Aufkommens der Pandemie als Sekretärin bei einem Arzt beschäftigt. Da seitens des Arbeitgebers keine ausreichenden Schutzmaßnahmen getroffen wurden, fürchtete sie sich vor Patientenkontakt und bat einen Kollegen, ob er tags darauf ihren Spätdienst übernehmen könnte. Dieser sagte zu. Als die Steirerin bei der Personalverantwortlichen anrief, wurde sie gleich zu ihrem Angst vor Virus: Arzt entließ Sekretärin Chef durchgestellt. Er warf ihr Arbeitsverweigerung vor und dass dies ein Entlassungsgrund sei. Völlig überrumpelt erklärte die 27-Jährige ihm die Situation und dass sie natürlich in die Praxis komme, wenn er das wünscht – zwecklos. Kritik nicht vertragen Da die Frau ihren Job nicht verlie- ren wollte, fuhr sie in die Praxis. Dort hieß es erneut vomChef, dass es Arbeitsverweigerung sei, auch wenn sie ihre Arbeit jetzt antritt. Dann zeigte er ihr eineWhats App- Nachricht, die sie an Kollegen ge- schickt hatte. Darin hatte sie ihrem Ärger über den Umgang mit dem Virus Luft gemacht, da keine ent- sprechenden Schutzmaßnahmen getroffen wurden, zu welchen der Arbeitgeber jedoch aufgrund seiner Fürsorgepflicht den Mitar- beitern gegenüber verpflichtet ist. Kein Entlassungsgrund AK-Expertin Birgit Friess:„Das alles ist kein Entlassungsgrund. Wir haben für die Frau interveniert, jedoch ist es zu keiner außerge- richtlichen Lösung gekommen.“ Die AK klagt nun für die 27-Jährige rund 12.000 Euro an Kündigungs- entschädigung ein. JF ak tipp Elternteilzeit und Kurzarbeit Schwanger in Corona-Zeit Arbeitnehmerinnen, die ein Baby erwarten, sind auch in Zeiten des Corona-Virus besonders geschützt und sollten auf Einhaltung ihrer Rechte bestehen. Kündigungen Schwangere Arbeitnehmerinnen genießen einen weitreichenden Kündigungs- und Entlassungs- schutz. Sie können ihren Job nur dann verlieren, wenn das Arbeits- und Sozialgericht der Kündigung zugestimmt hat. Dieses gibt seine Zustimmungbeispielsweise dann, wenn ein Betrieb oder eine einzel- ne Abteilung auf Dauer stillgelegt oder eingeschränkt wird und sich das Unternehmen eine Weiter- beschäftigung keinesfalls leisten kann. „Frauen in dieser Situation sollten sich unbedingt bei der AK melden. Wir klären für sie, ob die Kündigung rechtsgültig ist“, empfiehlt Pöcheim: „Sollte der Arbeitgeber eine einvernehmliche Kündigung anbieten, bitte ja nicht ohne vorherige Rechtsberatung durch die AK oder die Gewerk- schaft unterschreiben.“ Wochengeld gesichert „Sowohl dasWochengeld als auch ein eventuell danach beantragtes einkommensabhängiges Kin- derbetreuungsgeld richten sich nach dem Einkommen vor der Kurzarbeit“, erläutert Pöcheim. JF AK-Expertin Christina Poppe- Nestler erklärt: Arbeitnehmerinnen und Ar- beitnehmer, die sich in El- ternteilzeit befinden, haben auch die Möglichkeit, mit der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber eine Kurzarbeit zu vereinbaren.Wesentlich ist, dass der Kündigungsschutz aufrecht bleibt und nach Be- endigung der Kurzarbeit die Arbeitnehmerin oder der Ar- beitnehmer zur ursprüngli- chenArbeitszeit zurückkehren kann. Rechte bleiben erhalten Zudem bleibt das Recht auf einmalige Änderung der Ar- beitszeit bzw. auf eine vorzei- tige Beendigung der Eltern- teilzeit erhalten. Die Lage der Arbeitszeit bzw. das Stunden- ausmaß während der Kurzar- beit ist mit der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber zu vereinbaren und es ist auf die Kinderbetreuungspflichten der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen. Leider stehe laut Pöcheim eine ausgleichende Frauenpolitik in schwierigen Zeiten auf der Agen- da der Regierenden weit unten. Weniger„Frauenjobs“ Einige Gruppen erwerbstätiger Frauen wird die Corona-Krise auf andere Weise treffen: Im Gegen- satz zur Finanzkrise vor zehn Jah- ren, bei der mehr Männer als Frau- en ihren Arbeitsplatz verloren ha- ben, sind nun besonders typische „Frauen-Branchen“ gefährdet, wie etwa die Gastronomie oder der Reisesektor. „Verlieren Frauen ihren Job, besteht die Gefahr, dass sie die gesamte Haushalts- und Familienarbeit übernehmen und unsere Gesellschaft in Sachen Geschlechtergerechtigkeit wie- der zurückfällt“, warnt Pöcheim. Dann fiele auch der Wiederein- stieg in die Arbeitswelt wieder schwerer. Frauen halten die Gesellschaft in der Krise am Laufen Mütter Väter aktuell vor Corona Quelle: SORA 2% 23% 42% 31% Wer trägt aktuell die Hauptverantwortung für Kinderbetreuung? Eltern verschieben Arbeitszeit auf Wochenende und Abend häufiger am Wochenende häufiger in der Nacht (nach 22 Uhr) häufiger am Abend (nach 20 Uhr) häufiger früh morgens (vor 8 Uhr) Frauen Männer 22% 16% 7% 12% 25% 22% 21% 24% Quelle: SORA Anm.: nur erwerbstätige Eltern im Homeoffice (n=251) „Die derzeitige Situation belastet mich sehr” 51% 40% Frauen Männer Anm.: alle Befragten (n=524) Quelle: SORA Betreuungsberufe Gesundheitspersonal (außer ÄrztInnen) Lebensmittelhandel Frauen Männer Daten: Statistik Austria/Arbeitsmarktstatistiken 2018, WKO Statistik/Unselbstständig Beschäftigte Juli 2018, Statistik Austria/Nichtärztliches Gesundheitspersonal 2018 In der Krise halten Frauen die Gesellschaft am Laufen 88% 81,5% 70,6% 12% 18,5% 29,4% Kinderbetreuung belastet Denn die Hauptverantwortung für die Kinderbetreuung tragen während der Corona-Krise in 42 Prozent der Fälle die Mütter, in 23 Prozent die Väter, zeigt eine Umfrage des Sozialforschungs- instituts SORA. Geschlechterun- terschiede werden vor allem im Homeoffice sichtbar: Väter, die von zu Hause arbeiten, sagen zu 64 Prozent, sie betreuendie Kinder währenddessen–beiMüttern sind es sogar 75 Prozent. Viele Eltern tun sich schwer, Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung unter ei- nen Hut zu kriegen. Immer öfter verschieben sie die eigenen Ar- beitszeiten auf das Wochenende, den Abend oder gar in die Nacht. Homeoffice nicht die Lösung „Die zuvor weit verbreitete Illu- sion, dass sich Homeoffice mit gleichzeitiger Kinderbetreuung zu Hause vereinbaren ließe, sollte nach den Erfahrungen der letzten Wochen niemand mehr haben. In Zeiten mit gesicherter Kinder- betreuung könne das durchaus funktionieren. Haben die Unter- nehmen einmal positive Erfah- rungen damit gemacht, bieten sie künftig vielleicht häufiger flexible Arbeitsvarianten an“, so Pöcheim. In Krisenzeiten könne das nur funktionieren, „wenn die Kinder batteriebetrieben sind“ und man sie ein- und ausschalten könne. 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