ZAK_Juli 2020
Graf-Putz | AK Beruf & Recht Der Beratungsalltag im Arbeitnehmerschutz zeigt immer wie- der: Ältere Beschäftigte werden gern zum Ziel von Mobbing- attacken. Unternehmen wollen sich durch die meist folgenden Selbstkündigungen die Abfertigungen sparen. Ü ber 27 Jahre gab es nie Be- schwerden über ihre Arbeit, das Arbeitsklima im Pflegeheim stimmte. Doch dann kam eine neue, junge Pflegedienstleiterin und für die 58-Jährige änderte sich der Arbeitsalltag. Plötzlich erhielt sie keine Informationen mehr, wurde nicht gegrüßt, son- dern von der Vorgesetzten öffent- lich angeschrien. Sie hörte Sätze wie: „Du wirst nicht mehr lange bei uns sein.“ Die Pflegeassisten- tin bekam das Gefühl, dass man sie loswerden will, um sich ihre Abfertigung Alt zu sparen. Rausekeln als Strategie Beruf & Recht Ist eine Beschäfti- gung während der Karenz erlaubt? ak tipp Der Bonus von 500 Euro für 24-Stunden-Kräfte, die we- gen Corona vieleWochen länger als geplant unsere Alten daheim betreut haben, ist bereits 1.000 Mal ausbezahlt worden. D ie Grenzschließungen haben die Abhängigkeit unseres Pflegesystems von ausländischen Frauen ins Scheinwerferlicht ge- rückt. Denn die 24-Stunden-Be- treuung zählt zu den wichtigsten Säulen des steirischen Pflegesys- tems. Der überwiegende Teil der pflegebedürftigen Menschen in der Steiermark wird zu Hause be- treut - in den allermeisten Fällen von Betreuerinnen aus anderen europäischen Staaten. Diese Frau- en pendeln üblicherweise zwi- schen Österreich und ihren Hei- matländern hin und her. Weil das wegender Grenzschließungengar nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen möglich war, sind viele der Frauen um Wochen länger in Österreich geblieben und haben unsere Angehörigen daheim betreut. 24-Stunden-Betreuung: Wegen Corona um Wochen länger hier Pflegeheime und Ausgangssperre Die Corona-Krise in den Pflegehei- men: Einige Heime mussten schlie- ßen, manche haben bei Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen weit übers Ziel geschossen. W ie ist es den 15.000 Bewohnerinnen und Bewohnern in den 230 steirischen Pflegeheimen während der Corona-Epidemie ergangen?MichaelaWlattnig, steirische Patien- tInnen- und Pflegeombudsfrau, sagt, die hohe Zahl anTodesopfern in den Heimen dürfte mit dem hohen Alter und den Vorerkrankungen der Bewohnerinnen und Bewohner zusam- menhängen. Ob hier alle Sorgfaltspflichten eingehalten wurden oder ob es durch falsche oder unterlasseneMaßnahmen zu vermeidba- renTodesfällengekommen sei,„getraue sie sich nicht zu sagen“, sagt die Juristin. Das sei jetzt Sache von gerichtlichen Ermittlungen. Schließungen von Heimen Manche Heime mussten ihren Betrieb einstel- len, weil auch Beschäftigte erkrankt oder in Quarantäne waren. In einem Fall wurden die Bewohnerinnen und Bewohner vorerst auf steirische Krankenhäuser verteilt und dann von dort in andere Heime vermittelt. Die AK vertrat einen Bewohner, der plötzlich für zwei Heime – das geschlossene und das neue – zahlen sollte. Die AK konnte erreichen, dass das geschlosse- ne Heim auf die Forderung verzichtet. Besuche und Ausgänge Anfänglich habe es zu wenig Schutzausrüs- tungen gegeben, stellt Wlattnig fest: „Viele Heime haben gut reagiert.“ Um Schaden von den Beschäftigten und den Betreuten fernzu- halten, „haben sich manche Heime aber auch gänzlich abgeschottet“. Und in diesen Fällen gingen die Beschwerden bei der PatientInnen- und Pflegeombudsschaft durch dieDecke. Von Mitte März bis Ende Mai gab es mit 163 mehr Beratungen als im gesamten vorigen Jahr, zwei Drittel davon betrafen das Besuchsrecht und das Verbot von Ausgängen: „Es gab Fälle, da wurde den alten Menschen gedroht, sie müssten 14 Tage imZimmer bleiben, wenn sie in den Garten spazieren gehen.“ Grundrechtsschutz-Freiheitsbeschränkung „Das Ein- undWegsperren geht gar nicht“, sagt Wlattnig,„der Grundrechtsschutzmuss beach- tet werden.“ Jede Freiheitsbeschränkung ist der Bewohnerinnen- und Bewohnervertretung zu melden. Der Ombudsfrau geht es darum, dass Lehren für die Zukunft gezogen werden. Sie begrüßt es deshalb, dass das Land für den Sommer eine Covid-Akademie organisiert, wo Heimverantwortlichemit der sensiblenMaterie besser vertraut gemacht werden. AK-Expertin Bianca Liebmann- Kiss antwortet: Grundsätzlich ist es kein Pro- blem, im Karenzurlaub einem geringfügigen Beschäfti- gungsverhältnis nachzuge- hen. Die Zuverdienstgren- ze liegt bei 460,66 Euro pro Monat (Stand 2020). Dieser Beschäftigungkannmanbeim ursprünglichen Unterneh- men oder unter bestimmten Voraussetzungen bei einer anderen Firma nachgehen. Zuverdienstgrenzen beachten Darüber hinaus erlaubt das Mutterschutzgesetz eine Be- schäftigung von 13 Wochen im Kalenderjahr über der Ge- ringfügigkeitsgrenze. Dies gilt nur dann, wenn man sich das ganze Jahr im Karenzurlaub befindet, andernfalls wird die Anzahl der Wochen anteilig berechnet. Darüber hinaus sind auch die Zuverdienst- grenzen der jeweiligen Kin- derbetreuungsgeldvariante zu beachten. Margit Schuß: „Hat man das Ge- fühl, Opfer von Mobbing zu sein, ist es wichtig, sich rechtzeitig Hilfe, wie bei der AK-Mobbing- beratung, zu suchen.“ Im Fall der Bruckerin gab es am Ende ein von ihr moderiertes Treffen mit dem Betriebsrat. Neuanfang Da die Fronten zu verhärtet wa- ren, wurde beschlossen, dass die 58-Jährige an einen anderen Dienstort versetzt wird. Schuß: „Die Frau sieht es als einen Neu- anfang. Wichtig war ihr, dass sie nicht um ihre Abfertigung umfällt.“ Ständiger Druck Aufgrund der psychischen Belas- tung wurde die 58-Jährige krank. In ihrem Krankenstand übte die Vorgesetzte weiter Druck aus: Täglich gab es Nachfragen, wann sie endlich wiederkomme und was ihr eigentlich fehle. Professionelle Unterstützung Die Frau wandte sich an die AK- Mobbingberatung. „Wir hören den Betroffenen zu, bauen sie auf und suchen nach Strategien bzw. Möglichkeiten, wie es wei- tergehen kann“, sagt AK-Expertin www.akstmk.at/mobbing Infos & Beratung 500 Euro Bonus Die schwierige Situation dieser Betreuungskräftewurde auch von der Politik gesehen. Wer zumin- dest vier Wochen länger hier war, kann einen Bonus von 500 Euro bekommen. Obwohl der Antrag sehr kompliziert war (inzwischen etwas entschärft) und von den be- treuten Personen erfolgen muss, die den Bonus auch vorfinanzie- ren, wurden in der Steiermark mit Stand 20. Juni bereits 3.500 An- träge gestellt, knapp 2.500 davon sind bewilligt. Etwa 1.000 Frauen haben den Bonus für ihren wert- vollen Dienst bereits bekommen. Corona-Test Derzeit ist es für viele Länder nicht mehrverpflichtend,dassdieBetreu- erinnen bei der Einreise nach Ös- terreich einen Corona-Test machen müssen.GenerellisteinCorona-Test aber weiterhin sinnvoll. Hinsicht- lich der Testkosten gibt es keine Regelung, wer konkret die Kosten übernehmen muss. Auch höhere Fahrtkosten können nicht einfach andiezubetreuendePersonweiter- verrechnet werden. JF SH SH www.akstmk.at/pflege Mehr zumThema Der Assistent der Geschäftsführung griff einer Kollegin zwi- schen die Beine – gekündigt wurde sie. Mithilfe der AK erhielt die Mitarbeiterin einer Logistikfirma 1.300 Euro Schadenersatz. A n einem Freitag nach Dienst- schluss beschlossen Frau H. und ihre Bürokollegin noch etwas trinken zu gehen. Herr T., ein Kol- lege, der immer wieder die Nähe zu der 50-Jährigen gesucht hatte, schloss sich unaufgefordert an. Betatscht und beleidigt Er trank ziemlich viel und wurde immer zudringlicher: zuerst verbal, dannversuchteer H. zuküssenund schließlich griff er ihr zwischen die Beine. Die 50-Jährige wehrte sich. Daraufhin wurde sie von ihm als „Schlampe“ und „Hure“ beschimpft. Als sie fluchtartig das Lokal verließ, folgte ihr der Betrun- kene, stürzte aber und musste ins LKH eingeliefert werden. Opfer gekündigt Montags darauf wurde die Graze- Von Kollege begrapscht: Opfer (!) gekündigt rin zumGeschäftsführer zitiert – er kündigte sie. Frau H. verstand die Welt nicht mehr und erzählte ih- rerseits, was ihr mit demAssisten- ten der Geschäftsführung passiert war. Als Antwort teilte ihr ihr Chef mit, dass er auf Mitarbeiterinnen, die „einen auf Me Too“ machen, verzichten könne und stellte sie bis zumEnde der Kündigungsfrist dienstfrei. Empört ging die Sach- bearbeiterin zu ihrer Kollegin. Die- se bedauerte das alles sehr, teilte ihr aber auch sofort mit, dass sie für eine etwaige Zeugenaussage nicht zur Verfügung stünde. Vor Gericht gewonnen „Wir haben Frau H. vor dem Ar- beitsgericht vertretenundobwohl die Kollegin nicht für unsere Man- dantin aussagte, haben wir das Verfahren gewonnen“, schildert Christina Poppe-Nestler vom AK-Frauenreferat: „Frau H. erhielt 1.300 Euro an Schadenersatz.“ JF www.akstmk.at/arbeitsrecht Mehr zumThema Der Assistent des Chefs behielt seinen Job, die Frau musste sich hingegen sagen lassen, dass keine ge- braucht wird, die auf„Me Too“ mache. Die Dankbarkeit gegenüber den ausländischen Betreuerinnen ist groß: Mehr als 1.000 von ihnen bekamen bereits den Corona- Bonus. Tinnakorn - stock.adobe.com Halfpoint - stock.adobe.com 10 | ZAK ZAK | 11
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