ZAK_Juli 2020

Aktuell Aktuell Krisen wie die Corona-Pandemie rücken die Bedeutung der Versorgungssicherheit der Bevölkerung wieder stärker ins Bewusstsein. Es gilt, die„kritische Infrastruktur“ zu schüt- zen. Dazu zählen beispielsweise die Versorgung mit Ge- sundheitsdienstleistungen, Trinkwasser oder Energie. pressmaster - stock.adobe.com Ernst Weingartner / picturedesk.com Brian Jackson - stock.adobe.com peterschreiber.media - stock.adobe.com www.akstmk.at/wirtschaft Mehr zumThema Als eine der Lehren aus der Corona-Krise fordert die AK die„Re-Europäisierung“ der Pharmaindustrie. Dies sei ein „Gebot der Stunde“. „Die Corona-Pandemie zeigt auf, dass im pharmazeutischen Sektor eine erhebliche Abhängigkeit von anderen Nationen, vornehmlich von asiatischen Staaten, vorliegt“, kritisiert AK-Experte Philipp Gufler die Auslagerung von Produktions- schritten aufgrund der Profit- maximierung – nicht nur in der Pharmaindustrie. Zwar haben zahl- reiche Pharmagiganten ihren Sitz in Europa, produziert werde aber überwiegend inOstasien, soGufler: „In Zeiten einer sich rasant ausbrei- tenden Gesundheitskrise wird der Öffentlichkeit erst wieder bewusst, wie wichtig es ist, dass bestimmte SchlüsselsektorenimHoheitsgebiet der EU angesiedelt sind.“ Beihilfen Ein Ansatzpunkt, die Abhängig- Pharma nach Europa ein „Gebot der Stunde“ keit Europas zu minimieren, sei die Möglichkeit, „Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamemeuropäischem Interesse“ (IPCEI) zu gewähren. Derzeit würden diese Beihilfen in den Bereichen Mikroelektro- nik sowie der Batterieerzeugung gewährt. „Gebot der Stunde“ sei nun, dass diese Regelungen auf weitere Sektoren – allen voran auf den Pharmabereich – angewandt werden. Der AK-Experte fordert: „Neben klassischen Förderungen und steuerlichen Erleichterungen gibt es auch die Möglichkeit der Beteiligung der öffentlichen Hand an Unternehmen. Dies hätte den Vorteil, dass strategische Entschei- dungen im Bereich F&E sowie bei Investitionen mitgestaltet werden können.“ Kritisch Die Aufrechterhaltung des Be- triebs von Krankenhäusern, Apo- theken und anderen gesund- heitlichen Einrichtungen mit Medikamenten und Schutzbe- kleidungen müsse als Teilbereich Gesundheit Die überragende Bedeutung der kritischen Infrastruktur gerade in Krisen-Zeitenhabe sich amBeispiel des Gesundheitssystems gezeigt: „Die Tatsache, dass Österreich in gesundheitlicher Hinsicht in der Corona-Pandemie bis dato relativ glimpflich davongekommen ist, ist nicht nur demLockdown, sondern in erster Linie dem im interna- tionalenVergleichgut aufgestelltenGesundheitssystemgeschuldet“, ist AK-Wirtschaftsexperte Philipp Gufler überzeugt. Eine gesicherte öffentliche Versorgung mit Gesundheitsdienstleis- tungen ist eine unabdingbare Notwendigkeit für die Aufrechterhal- tung des staatlichen Gemeinwesens, insbesondere in Krisenzeiten. Jeglichen Privatisierungstendenzen sei daher ebenso Einhalt zu gebieten wie einer einseitigen Orientierung des Gesundheitswe- sens an Kosteneinsparungspotenzialen, wie sie sogenannte „Ge- sundheitsökonomen“ fordern. Ziel aller Bemühungen müsse sein, dass die öffentliche Hand die grundlegende Versorgung durch ein modernes, hochwertiges und effizientes Gesundheitssystem für alle Bürgerinnen und Bürger sicherstellt. Trinkwasser „Überlebenswichtig“ – nicht nur in Krisenzeiten – ist die Verfügbar- keit vonTrinkwasser, so Susanne Bauer von der AK-Marktforschung: „Eine hohe Versorgungssicherheit wie in Österreich ist nicht selbst- verständlich“, verweist Bauer auf dieTatsache, dassweltweit rund 800 MillionenMenschen keinenZugang zu sauberemTrinkwasser haben. Die öffentliche Versorgung sei unschlagbar:„Bei denWasserpreisen gehört Österreich mit seiner fast 100-prozentigen öffentlichen Ver- sorgung zu den günstigsten Ländern.“ Naheliegend, dass Konzerne die Profitmöglichkeiten wittern und – unterstützt von so manchen Politikern – auf die Liberalisierung der Wasserversorgung schielen und diesbezüglich Druck für eine Privatisierung machen: „Davor kann gar nicht eindrücklich genug gewarnt werden.“ Auf massiven Druck der BürgerInneninitiative „right2water“ musste die EU-Kom- missionwährend ihrer Verhandlungen zur Konzessionsrichtlinie die Liberalisierung derWasserversorgung zurücknehmen,Wasser wurde von der Richtlinie ausgenommen. Versorgung mit Wasser & Co muss gesichert sein Energie Die jederzeitige Verfügbarkeit von elektrischer Energie ist ein zentrales Element für das Funk- tionieren von Wirtschaft und Gesellschaft. Um die Import- abhängigkeit zu senken und damit eine höhere Sicherheit in der Energieversorgung zu errei- chen, fordert AK-Energieexperte Karlheinz Kettl den Ausbau erneuerbarer und dezentra- ler Energieträger. Dazu seien auch entsprechend ausgebaute Stromnetze notwendig. Unver- zichtbar zur Energieversorgung sei auch das österreichische Erdgasnetz. Vor dem Hinter- grund der Klimakrise müssen allerdings Bestrebungen, Erdgas erneuerbar zu machen („Green gas“), entschlossen vorangetrie- ben werden, so Kettl. der „kritischen Infrastruktur“ im Rahmen des öffentlichen Ge- sundheitsdienstes gewertet und entsprechend geschützt wer- den. Präsenzdiener als Aushilfen in Verteilzentren der Post: Dieses ungewöhnliche Bild wirft ein bezeichnendes Licht auf eine Boom-Branche, in der der hohe Konkurrenzdruck an die Be- schäftigten„weitergereicht“ wird. D er Trend zum Onlinehan- del sorgt seit Jahren für immer neue Rekordzuwächse bei der Paketzustellung. Die Ausgangsbeschränkungen und die vorübergehende Schließung aller Geschäfte mit Ausnahme der Versorgung mit „lebensnot- wendigen“ Produkten aufgrund der Corona-Pandemie führten deutlich vor Augen, dass auch die Zustellung von Gütern zur „kritischen Infrastruktur“ zählt. Paketzustellung: Boom und hoher Konkurrenzdruck Die Rahmenbedingungen in der umkämpften Boom-Branche wurden einer staunendenÖffent- lichkeit vor Augen geführt, als die Post das Bundesheer anfordern musste, weil Beschäftigte in zwei Postverteilzentren (vorwiegend Leiharbeiter) positiv auf das Corona-Virus getestet worden waren. Prekär AK-Expertin Susanne Bauer hat die Zustände in der Paketbranche bereits 2018 in einer Studie unter die Lupe genommen und kam zu dem Ergebnis, dass die Österrei- chische Post zwar imHinblick auf Entlohnung und Arbeitnehmer- schutz unter allen untersuchten Logistik-Konzernen noch ambes- ten abschnitt. Neben demEinsatz von Leiharbeitern greift aber auch die Post wie ihre Konkurren- ten auf Subunternehmen zurück. Diese reichen den Auftrag oft an Sub-Sub-Unternehmen weiter, bei denen es sich sehr oft um Scheinselbstständige handelt, die längere Arbeitszeiten und ge- ringere Entlohnung akzeptieren müssen, um als Letzte in der Nah- rungskette überhaupt ein Stück vom Kuchen zu bekommen. Mindeststandards „Die vielfältigen Beschäftigungs- formen, aber auch unterschiedli- che Kollektivverträge erschweren die Einhaltung von Mindeststan- dards enorm“, schließt Bauer aus der Studie. Um Verbesserungen zu erreichen, sei ein Maßnah- menbündel erforderlich. Dazu zählen etwa die Einführung einer Generalunternehmerhaftung der Logistik-Konzerne, mehr Kontrollen und eine einheitliche Entlohnung. BH BH BH Zahlreiche Pharmagigan- ten haben ihren Sitz in Europa, produziert wird aber in Ostasien. BH BH 4 | ZAK ZAK | 5

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