ZAK_Juli 2020
abgemeldet wurde und keinen Lohn mehr erhielt, kam sie zur Ar- beiterkammer. AK-Jurist Michael Kohler klagte für die Kellnerin die Differenz, die sich zwischen dem höheren Betrag auf den monatlichen Lohnzetteln und der Summe der entnommenen 100 Euro ergab, ein. „Die Frau arbeitete immer sieben Tage und hatte dann wieder sieben Tage frei. Egal ob feiertags oder ob Überstunden anfielen, sie erhielt immer nur die 100 Euro, die sie aus der Kassa entnehmen durfte“, erklärt Kohler. So konnte er vor Gericht für drei Jahre rückwirkend die Entgeltdifferenzen, das Feier- lev dolgachov Yuri Bizgaimer - stock.adobe.com Graf-Putz | AK Beruf & Recht Ein Dienstwagen, der auch in der Freizeit genutzt werden darf – eigentlich eine feine Sache. Solange nicht gleich mehrere Vorgesetzte dank eingebauten GPS-Ortungssystems sehen können, wo man wann wie lange – auch in der Freizeit – unterwegs war. Die AK erzielte einen historischen Erfolg. E s hörte sich zu gut an: Ein Au- ßendienstmitarbeiter bekam von seinem Arbeitgeber einen Dienstwagen zur Verfügung ge- stellt, den er laut Dienstvertrag sogar für den Urlaub nutzen durf- te. Rund zwei Monate nachDienst- antritt erfuhr der Mitarbeiter zufällig, dass seine Fahrten über- wacht werden. Das Sekretariat der Firma rief ihn an, was er denn in Wattens zu tun habe. Tatsächlich arbeitete der Mann jedoch zuhause im Home-Office. Er hatte sich lediglich am Vortag imTiroler Ort aufgehalten und war noch am selben TagnachHause gefahren. Daraufhin bat er seinen direkten Vorgesetzten, etwas gegen die Überwachung – insbesondere in der Freizeit – zu unternehmen. Doch trotz mehrerer Gespräche und schriftlicher Aufforderungen stellte die Firma diese Praxis nicht ein. Im Gegenteil: Es erfolgten immer wieder Kontrollanrufe, wo und warum er sich gerade dort aufhielte. Der psychische Druck GPS-Überwachung von Dienstautos verboten Mit 100 Euro pro Arbeitstag, bar auf die Hand, wurde eine Kellnerin bezahlt – blöd nur, dass der Lohnzettel am Ende des Monats einen höheren Betrag aufzeigte, als die Frau tatsächlich erhielt. E ine schnelle und für die Chefin kostensparende Art der Be- zahlung war in einem Nachtclub in Bruck/Mur üblich: Die Kellnerin nahm sich einfach am Ende ihres Arbeitstages 100 Euro aus der Kasse – unabhängig davon, was am Ende des Monats auf ihrem Lohnzettel stand bzw. wie viele Arbeitsstunden sie leistete. 28.500 Euro eingeklagt Als die 51-Jährige ohne ihre Zu- stimmung plötzlich während ihres Krankenstandes nach fast drei Jahren von ihrer Chefin mit dem Grund „einvernehmliche Lö- sung“ von der Sozialversicherung Nachtclub-Chefin trickste bei Gehalt Besser früher, als später: Verfall und Verjährung im Arbeitsrecht Willi Tell ins schwarze Mathias Grilj „Nein, ich trage keinen Bart. Ich bin nur unrasiert.“ Das knurrte ich als Corona-Isolier- ter den maskierten Freunden am Bildschirm zu. Anfangs haben wir beim Telefonieren und Skypen ja noch geblö- delt und gelacht, wie es un- sere Art ist. Aber jetzt fühlt sich vieles sehr gekünstelt an. Und das Blödeln hilft nur bedingt. Der eine erzählt mir leise, dass er aus seinem Job wahr- scheinlich bald sozusagen still entsorgt werden wird. Die andere spricht von Er- starrung und Resignation, auch wenn sie sich Optimis- mus einreden will, im Alltag eigentlich alles richtig macht und brav immer wieder jog- gen geht. Ein anderer glaubt zu spüren, dass er seinen Lieben entsetzlich auf die Nerven geht, seit er zu Hause herumlungert. Er fühlt sich wertlos, auch weil er bei den Mathematik-Aufgaben der Kinder danebensteht. Zudem höre ich von neuen Signalen aus den Firmen: Man solle sich bitte nicht einbilden, dass man nicht ersetzbar sei - es ginge auch billiger. Und einer beantwortet tagelang nicht die Mails. Offenbar geht es den Leuten aus meinem Bekanntenkreis im Alltag ganz anders, als alle Medien so aufmunternd berichten. Diese Freunde sollten nicht vergessen, dass ich ihr „therapon“ bleiben will – und das heißt wörtlich: Gefährte. Wie geht‘s euch? © jani schwob Arbeitsrechtliche Ansprüche können nicht„bis in alle Ewigkeit“ geltend gemacht werden. Gesetz, Kollektiv- oder auch Dienstvertrag setzen hier bestimmte Grenzen. H elmut K. ist LKW-Fahrer. Er stellt fest, dass ihm nicht alle Überstunden ausbezahlt wurden. Er fordert die Ansprüche aber nicht ein, weil er von seinem früheren Arbeitgeber immer vertröstet wird. Nach mehreren Mona- ten entschließt er sich doch, die Überstunden einzufordern. Es ist jedoch zu spät. Die Ansprü- che sind bereits verfallen. Fristen im Blick haben „So oder so ähnlich geht es leider vielen Be- schäftigten“, weiß AK-Arbeitsrechtsexperte Thorsten Bauer aus dem Beratungsalltag. Um zu vermeiden, dass einem hunderte oder oft gar tausende Euro entgehen, lohnt sich ein genauer Blick auf Verfalls- und Verjährungs- bestimmungen. Grundsätzlich verjähren Ansprüche aus einem Dienstverhältnis nach drei Jahren. Das bedeutet, sie können nicht mehr gerichtlich durchgesetzt werden, wenn die Bezahlung bei der Arbeitgeberin bzw. dem Arbeitgeber nicht explizit schriftlich geltend gemacht wurde. Bauer:„Wir raten aus Beweis- zwecken dazu, die Geltendmachung mittels eingeschriebenen Briefs durchzuführen.“ Ausnahmen beachten Viele Kollektivverträge sehen für die Geltend- machung einzelner oder aller Ansprüche kür- zere Fristen vor. Diese Verfallsfristen betragen häufig nur drei bis sechsMonate und beginnen in der Regel schon während des aufrechten Dienstverhältnisses zu laufen. Sollten im KV keine Fristen geregelt sein, ist es zulässig, dass im Arbeitsvertrag Verfallsfristen vereinbart werden. Diese sind oft extrem kurz, drei Mo- nate gelten als zulässig. AK-Musterbrief als Hilfe Sollten Ansprüche nicht ordnungsgemäß zur Auszahlung gelangen oder Zweifel bezüglich rechtmäßiger Bezahlung bestehen, empfiehlt der Jurist, sofort die AK zu kontaktieren. Mit dem von der AK Steiermark zur Verfügung gestellten Musterbrief können Ansprüche wie Entgelt, Überstunden, Weihnachts- oder Urlaubsgeld selbst geltend gemacht werden. Bauer:„So verhindern Arbeitnehmer, dass ihre Ansprüche verfallen bzw. verjähren.“ www.akstmk.at/musterbrief Ansprüche geltend machen tagsarbeitsentgelt, die nicht ver- fallene Überstundenvergütung sowie die Urlaubsersatzleistung für 69Tage und eine Kündigungs- entschädigung geltend machen. Kohler: „In Summe haben wir für die Frau 28.500 Euro vor Gericht zugesprochen bekommen.“ 28.500 Euro erhielt die Kellnerin für Entgelt, Überstunden usw. zugesprochen. JF JF www.akstmk.at/arbeitsrecht Mehr zumThema wuchs dermaßen, dass sich der Außendienstmitarbeiter den Ein- griff in seine Privatsphäre nicht mehr bieten lassen wollte. Schwerer Eingriff in Privatsphäre Er wandte sich an die Expertinnen und Experten der AK Oberös- terreich. Diese sahen durch die Kontrollmaßnahme die Men- schenwürde berührt. Für die Ein- führung derartiger Maßnahmen seien außerdem die Zustimmung des Betriebsrates oder der ein- zelnen Arbeitnehmerin bzw. des einzelnen Arbeitnehmers nötig. Im konkreten Fall gab es jedoch keinen Betriebsrat und auch keine Zustimmung des Arbeitnehmers. Dafür erwies sich das Überwa- chungssystem als ausgeklügelt. Das Ortungssystem konnte die GPS-Daten rund umdie Uhr über- tragen, den Batteriepegel des Wagens überwachen und erken- nen, wann die Zündung einge- schaltet wurde. Geschäftsführer, Vertriebsleiter, Produktionsleiter und Innendienstleiterin konnten somit jederzeit über das Internet die Fahrten verfolgen. Zur stra- tegischen Vertriebssteuerung wurde das Systemallerdings nicht genutzt. Richtungsweisendes Urteil Vor Gericht wurde die Überwa- chung als illegal eingestuft und das Recht auf immateriellen Scha- denersatz anerkannt. Da die beklagte Firma gegen das Urteil Berufung einlegte, ging der Fall schließlich vor den Obersten Gerichtshof (OGH). Dieser bestätigte schlussendlich den bereits in der ersten Instanz zu- gesprochenen Schadenersatz in der Höhe von 400 Euro pro Arbeitsmonat – insgesamt 2.400 Euro. Zusätzlich hatte die überwa- chungsfreudige Firma rund 1.400 Euro an Prozesskosten zu zahlen. Übrigens: Dasselbe Unterneh- men wurde inzwischen in einem zweiten Fall abermals wegen rechtswidriger Überwachung rechtskräftig verurteilt. Das Signal an Arbeitgeber ist eindeutig: Unzulässige GPS-Über- wachung der Mitarbeiter ist kein Kava- liersdelikt, sondern ein schwer- wiegender Eingriff in die Privatsphäre, der teuer wer- den kann. „Die Botschaft des OGH-Urteils ist klar: Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch erlaubt. Kontrollmaßnahmen, die die Menschenwürde verletzen, sind absolut unzulässig.“ Josef Pesserl, AK-Präsident 8 | ZAK ZAK | 9
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