ZAK_September 2020
Temel | AK zak inhalt Arbeiterkammer Steiermark AK Steiermark 05 7799-0 www.akstmk.at redaktion@akstmk.at Schwerpunkt Die Vorgangsweise erweckt den Eindruck, dass alles von langer Hand und ohne Rücksicht auf Menschen, Region und heimischeWirtschaft geplant war – der ATB-Eigentümer Wolong zeigt, wie sich in Teilbereichen das österreichische Gesetz bis zur Schmerzgrenze ausreizen lässt. „Man zwingt uns zu Kampfmaß- nahmen gegen chinesische Ver- hältnisse, die wir hier nicht haben wollen!“ – Diese Aussage von ATB- Betriebsratschef Michael Leitner sagt alles.Wie bereits bekannt, in- formierte der EigentümerWolong Anfang August die Belegschaft der ATB Motorenwerke GmbH in Spielberg, dass 360 der rund 400 Beschäftigten gekündigt werden und die Produktion nach Polen sowie ein Teil der Ferti- gung nach Serbien verlegt werden soll. Mit Unterstützung der Fachgewerk- schaften und der Arbeiterkammer kämpfen Leitner und Renate Bauer, Vorsitzende des Angestell- tenbetriebsrats, umden Erhalt des Standortes und der Arbeitsplätze und zeigen dabei eines auf: „Die Verlagerung der Produktion und Fertigung finanziert der österrei- chische Staat.“ Öffentliche Gelder abgerufen Hier ruft ein großes Unternehmen öffentliche Gelder aus mehreren Volkshoch schule Bildung für alle – 8.000 VHS-Kurse 6 Bewegung: Yoga gibt‘s auch online 7 Sprache: Englisch als Weltsprache 8 Kreativität: Multikulti in der Streuobstwiese 9 Musik: Ukulele – hawai- ianisches Lebensgefühl 10 EDV: drei Buchstaben, die die Welt bedeuten 11 Ernährung: Du bist, was du isst So kommen Sie zu Ihrem VHS-Kurs Beruf & Recht 16 Zu viel Lohnsteuer abgezogen 17 Betriebsrat: starke Position bei Kündigung Betriebsreportage: alpha nova 20 Unterhaltsverpflichtung trotz Heimaufenthalt Leben & Konsum 22 Wenn die GIS an der Türe klingelt 23 21.100 E ohne Arbeit – „Wunsch” einer Baufirma 24 Lohnsteuer-Senkung: So kommen Sie zum Geld Bildung &Wissen 25 Wenn das Stipendium nicht zum Leben reicht 26 Die Krise als Anlass für neue Berufswege 27 Ernährungstipps: Essen fürs Immunsystem 28 Leseecke: Tipps aus der AK-Bibliothek 29 Zeitreise: VHS – eine Institution mit Tradition Blitzlichter aus der AK Steiermark 4/5 Die Belegschaft hält fest zusammen: Einstimmig wurden Kampfmaßnahmen bis zum Streik beschlossen. In vielen Versammlungen wurde informiert. 12/13 18/19 30/31 ak.steiermark V on der Belegschaft, über Gewerkschaft und Arbeiter- kammer bis hin zur Politik – alle wurden ein- g e b u n d e n , als plötzlich die Hiobsbot- s c h a f t von der Verlage- rung der Pro- duktion und dem Verlust von 360 Jobs kam. Arb.-BRV Michael Leitner und Ang.-BRV Renate Bauer und andere engagierte Mitstreitende haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, um eine breite Basis für den Protest zu organisieren. Volle Information für alle „Alle haben entsprechend ihrer Möglichkeiten mitgeholfen“, sagt Christian Schweiger, der die AK Murtal leitet. Entscheidend sei dabei gewesen, dass alle Beteilig- ten von allen Schritten voll infor- Eine Region hält fest zusammen Der Kampf um die Spielberger Arbeitsplätze zeigt, welche Dynamik und Kraft sich entwickelt, wenn ausgehend von einigen wenigen zentralen Akteuren alle in der Region an einem Strang ziehen. miert wurden. Wichtig war auch die Einbindung der lokalen und überregionalenMedien. Das habe nicht nur den Protest ver- stärkt, son- dernwar auch ausschlagge- bend , da s s der Hambur- ger Investor aufmerksam wurde. Gewerkschaften und AK Voll eingebunden waren die Ge- werkschaften – die Pro-Ge für die Arbeiterinnen und Arbeiter und die GPA für die Angestellten –, die immer bei Versammlungen vor Ort waren. Die AK stand mit ihremrechtlichenWissen zur Seite. Schweiger: „Die Mobilisierung ist wirklich gut gelaufen. Kampflos wird dieses Werk nicht aufgege- ben“, sieht er weitere Kampfmaß- nahmen kommen. D ie Geschichte von ATB in Spielberg beginnt 1974. Ab diesem Jahr produzierte die stei- rischeTochter des deutschen Bau- knecht-Konzerns Elektromotoren. Die Pleite der Konzernmutter 1982 riss freilich auch die Steirer mit – durch staatliche Beteiligung konn- te der Standort i n Sp i e l be rg aber gerettet werden. Ende der 1980er Jah- re wurde ATB reprivatisier t und erhielt er- neut deutsche E i g e n t üme r, 1990 ging das Unternehmenan die Börse. In den folgenden Jahren liefen die Geschäfte bei ATB her- vorragend, doch ab etwaMitte der 1990er Jahre kam das Unterneh- men bzw. seine Eigentümer – ins- besondere die deutsche Flender AG – erneut in Schwierigkeiten. ATB: Seit 1974 wird produziert Bereits seit 46 Jahren werden bei ATB in Spielberg Elektro- motoren hergestellt. Das Unternehmen hat im Laufe der Jahrzehnte unter wechselnden Eigentümern einige Höhen- flüge, aber auch so manchen Tiefpunkt erlebt. Wechselnde Eigentümer Die Republik Österreich sprang daraufhin einmal mehr als Retter von ATB ein. 2001 wurde ATB mit der Übernahme durch österreichi- sche Investoren (Mirko Kovats und Christian Schmidt) abermals pri- vatisiert. Die ATB-Gruppe wuchs in den Folge- jahren unter a n d e r e m du r c h d e n Zukauf von B e t r i e b e n weiter an. Die globale Wirt- schaftskrise ab 2008 setz- te auch die steirische In- dustrie unter Druck, 2010 schlitter- te Kovats‘ A-Tec-Gruppe in die In- solvenz. Im Jahr darauf übernahm die chinesische Wolong Holding die ATB-Gruppe, zu der Standorte in Großbritannien, Deutschland und Polen gehören. DW Arbeiterbe- triebsrat Mi- chael Leitner, AK-Präsident Josef Pesserl und Ange- stelltenbe- triebsrätin Renate Bauer kämpfen für den Standort Spielberg. (v.l.) Töpfen ab.VonApril bis Juni dieses Jahres hatte die ATB Kurzarbeit angemeldet. Eine Verlängerung wurde sogar ausgehandelt und unterschrieben, aber nicht mehr beim AMS eingereicht. SolltedieStrategieder Eigentümer aufgehen, hat dieBeendigungsan- sprüche der 360Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Insolvenz- entgeltfonds, in den alle öster- r e i c h i s c h e n Unternehmen einzahlen, zu tragen: „Zwi- schen 13 bis 15 Millionen Euro. Sieben Millionen allein für Abfertigun- gen“, erklärt Bruno Sundl, Leiter der AK-Insolvenzabteilung. Betriebsratschef Leitner spricht auch die Folgekosten an:„DieHälf- te der Belegschaft ist über 50 Jahre alt und somit schwer vermittelbar. Sie werden bis zum Pensionsan- tritt Arbeitslosenunterstützung brauchen. In Summe fallen etwa fünf Millionen Euro pro Jahr aus der Arbeitslosenversicherung an.“ Lücken schließen Der AK-Präsident und die Be- triebsratsvorsitzenden sehen die Politik gefordert:„Wir haben einen Investor an der Hand, der neun Millionen Euro auf den Tisch legt und alle Arbeitsplätze erhalten würde.“ Das wurde mit dem Be- scheid des Konkursgerichts, das den Verkauf der Maschinen an die ATB-Gruppe ermöglicht, von vorne herein unmöglich gemacht. „Eine leere Hülle kauft niemand“, kritisiert Pesserl die Gesetze, die einseitig die Schuldner bevorzu- gen und keinerlei Rücksicht auf die Beschäftigten nehmen, die ihre Arbeitsplätze verlieren. Er for- dert: „Die Insolvenzgesetze müs- sen nachgebessert, die Lücken für einen Abverkauf geschlossen wer- den.“ Leitner:„Es ist eine Schweine- rei, wie man mit den Leuten und mit dem Staat umgeht.“ Ausgang ungewiss 360 Beschäftigte erhielten die Kün- digung. Zu Redaktionsschluss war der Ausgang des Arbeitskampfes ungewiss. Die AK hat Einspruch ge- gen den Abverkauf der Maschinen eingelegt. JF Christian Jammerbund, GPA, undHeribert Grasser (r.), PRO-GE Das ATB-Werk in Spielberg „Scheinbar wurde von langer Hand geplant, 360 Leute auf die Straße zu stellen und die Produktion in ein Billiglohnland zu verlagern.“ Josef Pesserl, AK-Präsident SH Dominik Angerer / EXPA / picturedesk.com privat (5) Öffentliche Gelder in Anspruch genommen – 360 Beschäftigte gekündigt 2 | ZAK ZAK | 3
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