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ALLERLEI
SERIE
INS SCHWARZE
Willi Tell
Marx statt Selfie
Wäre Karl Marx nicht 1893
gestorben und könnte seinen
scharfen Blick auf uns Heutige
werfen, sagte er mit einer ge-
wissen Bitterkeit wohl: „Als ich
gerufen habe ’Proletarier aller
Länder, vereinigt euch!’ habe
ich nicht Facebook gemeint,
sondern Solidarität.“
Er hat über Entfremdung
nachgedacht und wäre ent-
setzt, wie sich im Hitech-Kapi-
talismus die Leute ohne äuße-
ren Druck in die Vereinzelung,
Vereinsamung und Entfrem-
dung begeben. Verführt von
den Verlockungen der Unter-
haltungsindustrie, die nur den
Zweck hat, uns ruhigzustellen
und abzulenken von allem,
das wir gemeinsam anpacken
müssten: Widerstand gegen
die Ungerechtigkeit, die in Ge-
setze gegossen werden soll.
Aber statt solidarisch aufzu-
treten, machen wir Selfies und
drücken dann auf „Gefällt mir“.
Einem gefällt das nicht:
Willi Tell
FRISCH
GEPRESST
AUS DER AK-BIBLIOTHEK
r
Garry Disher:
Leiser Tod.
Kriminalroman.
Unionsverlag 2018.
346 Seiten.
Dicke Luft auf der Peninsula: Ein
Vergewaltiger in Polizeiuniform
und bewaffnete Raubüberfälle
halten die Polizei in Atem.
Eine gerissene Meisterdiebin
spielt Katz und Maus mit den Ser-
geants. Einsparungen drücken
die Arbeitsmoral auf dem Revier.
Als Hal Challis das alles auch noch
einem Reporter erzählt, sieht er
sich an allen Fronten belagert.
Gregor Gysi:
Ein Leben ist zu wenig.
Die Autobiographie.
Aufbau Verlag 2018.
583 Seiten.
Gregor Gysi hat linkes Denken
geprägt und wurde zu einem sei-
ner wichtigsten Protagonisten.
Der Deutsche erzählt von seinen
zahlreichen Leben: als Familien-
vater, Anwalt, Politiker, Autor und
Moderator.
Seine Autobiographie ist ein lehr-
reiches Geschichtsbuch, das die
Erschütterungen und Extreme,
die Entwürfe und Enttäuschun-
gen des 20. Jahrhunderts auf
sehr persönliche Weise erlebbar
macht.
Klaus Kastberger (Hrsg.):
Graz. Mit Schriftstelle-
rinnen und Schriftstel-
lern an besondere Orte
der Stadt.
Kleine Zeitung Edition 2018.
189 Seiten.
Anlässlich seines 15-jährigen
Bestehens hat das Literaturhaus
Graz Autorinnen und Autoren
aus dieser Stadt und solche, die
mit ihr in einer besonderen Be-
ziehung stehen, eingeladen, sich
in einem kurzen Text mit einem
spezifischen Grazer Ort zu be-
schäftigen. Daraus ist, ergänzt
um Fotografien, ein touristisch-
untouristisches Projekt gewor-
den.
privat
Kleine Zeitung Edition
Unabhängig
von Nationali-
tät, Geschlecht, Berufsstand
oder Bildungsgrad: Wir alle
werden älter. Aber erst seit
wenigen Jahrzehnten ist ge-
regelt, dass man nach einem
arbeitsreichen Leben finanzi-
elle Sicherheit genießen kann.
V
iele Jahrhunderte lang war
das Älterwerden für die
meisten Menschen mit Elend
und Not verbunden. Viele
mussten Betteln, um nach
einem arbeitsreichen Leben
überhaupt über die Runden zu
kommen. Es gab kein Recht auf
soziale Sicherheit.
Im Mittelalter übernahmen
die Städte eine wichtige Rolle
in der Versorgung von Hilfs-
bedürftigen. Einzelne Berufs-
gruppen wie Handwerksge-
sellen oder Bergarbeiter grün-
deten Selbsthilfeeinrichtun-
gen für ihre Mitglieder zur
finanziellen Absicherung bei
Unglück, Krankheit, Invalidität
oder Tod.
Ausgedinge
Am Land kümmerte sich
der Familienverband um die
Versorgung der Älteren. Die
Kinder mussten ihre arbeits-
unfähigen Eltern nach der Be-
triebsübergabe im sogenannten
„Ausgedinge“ verpflegen. Kin-
derlose und Besitzlose waren
auf die Hilfe von Kirchen, Ge-
meinden oder Genossenschaf-
Alt werden mit System:
Die Pension im Rückblick
ten angewiesen. Die heutige
Sozialpolitik ist im Zuge der
Industrialisierung entstanden.
Kinderarbeit, Arbeitsunfälle,
Löhne unter dem Existenzmi-
nimum und eine hohe Arbeits-
losigkeit standen bis weit nach
Beginn der Industrialisierung
an der Tagesordnung. Es gab
keine Gesetze, die regelten,
ob und wann man aus dem
Arbeitsprozess gezogen wird.
Um 1900 lag die durchschnitt-
liche Lebenserwartung bei 40
Jahren.
Sozialversicherung
Der Druck der Proletarier auf
Wirtschaft und Staat wurde
immer größer. Parallel zur
Gründung der Sozialdemo-
kratie bildete sich ab den
1880er-Jahren langsam die
österreichische Sozialversi-
cherung heraus. Ab 1887/1888
gab es für Arbeiterinnen und
Arbeiter eine Unfall- und Kran-
kenversicherung. Ein Anrecht
auf eine Pension hatten in der
Habsburgermonarchie aber nur
wenige Berufsgruppen, wie Be-
amte (ab 1781) oder Angestellte
(ab 1906).
Altersvorsorge
Die Forderungen nach einer
gesetzlichen Altersvorsorge
für Arbeiterinnen und Arbeiter
blieb lange Jahre ungehört. Ein
MEILENSTEINE
1781 Erste Pensionen für Beamte
1887 Unfallversicherung
1888 Krankenversicherung
1906 Pensionsversicherung für Angestellte
1938 Deutsches Sozialversicherungsrecht, erstmals
gesetzliche Pensionen für Arbeiterinnen und Arbeiter
1955 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG)
entsprechender Gesetzeswurf
aus dem Jahre 1927 wurde
aufgrund des damaligen Spar-
kurses der Regierung nicht
umgesetzt. Erst 1938, nach
dem Anschluss an das nati-
onalsozialistische Deutsche
Reich, trat in Österreich das
Bismarck’sche Pensionsrecht
in Kraft. Nun erhielten auch
Arbeiterinnen und Arbeiter
eine finanzielle Absicherung
im Ruhestand.
Die Grundlagen des derzei-
tigen Systems in Österreich
wurden im Jahr 1955 durch das
Allgemeine Sozialversiche-
rungsgesetz (ASVG) gelegt, das
in der Folge vielfach novelliert
wurde.
AG
1956 veröffentlichte der ÖGB
in seiner Schriftenreihe das
Gesetz inklusive eingehender
Erläuterungen und ausführliche
Berechnungsbeispiele.
Am Land lebten die älteren
Familienmitglieder oft in
bescheidensten Verhältnissen
im sogenannten Ausgedinge.
Das Proletariat wurde im Schnitt
nur 40 Jahre alt. Ältere lebten in
Elend und Not.
Theodor Hosemann
Unionsverlag
Aufbau Verlag