ZAK
25
24
ZAK
ALLERLEI
SERIE
INS SCHWARZE
Willi Tell
Spott über Weisheit
Was haben die Medien seiner-
zeit gehöhnt, als Fred Sino-
watz, studierter Historiker und
Bundeskanzler, gesagt hatte:
„Es ist alles sehr kompliziert.“
Nun, zehn Jahre nach seinem
Tod, müssten ihn all die Spöt-
ter um Verzeihung bitten. Ers-
tens hat er recht gehabt und
zweitens ist inzwischen alles
noch viel komplizierter ge-
worden.
FRISCH
GEPRESST
AUS DER AK-BIBLIOTHEK
r
Hanser Verlag
Zuhören,
unterstützen und
Lösungen finden: Das hat
sich Jugend am Werk (JAW)
seit nunmehr 70 Jahren zum
Ziel gesetzt. Eine Erfolgsge-
schichte.
A
ls Gründer Karl Birzele
im Jahr 1948 die Organi-
sation ins Leben rief, konnte er
sich den nachhaltigen Erfolg
von JAW wohl nicht einmal
in seinen kühnsten Träumen
vorstellen. Denn die Zeiten
waren schwer: Die Nachkriegs-
zeit hatte ihre Spuren hin-
terlassen und die Jugendar-
beitslosigkeit erreichte ihren
Höhepunkt. Daher wurde in
der Steiermark eine Bildungs-
und Erziehungseinrichtung als
Bindeglied zwischen Schule
und Wirtschaft gesucht. Die
Lösung: Jugend am Werk.
AK als Partner
Nur zwei Jahre nach der Grün-
dung wurde aus der bis dato
losen Arbeitsgemeinschaft ein
selbstständiger Verein. Schon
zu diesem Zeitpunkt war die
Arbeiterkammer, die Anfang
der 1930er-Jahre auch an der
Entwicklung des Vorgänger-
projekts „Jugend in Not“ be-
bot von Wohnassistenz in der
eigenen Wohnung bis hin zur
betreuten Wohnform für Men-
schen mit Behinderung.
Inklusive Gesellschaft
Ab den 1990er Jahren erweiter-
te JAW sein Angebot für Kinder
und Familien. Programme der
Kinder- und Jugendhilfe sind
auch im 21. Jahrhundert ein
großer Bestandteil der Arbeit.
Auch für Erwachsene und
Flüchtlinge bietet JAW eine
umfassende Arbeitsplatzsuche
und professionelle Betreuung
an. „Die Vision ist der Entwurf
einer inklusiven Gesellschaft.
Dafür kämpfen wir jeden Tag“,
so Berger.
NF
Jugend am Werk
70 Jahre Jugend amWerk:
Wo Vielfalt zu Hause ist
teiligt war, Mitglied. „Für uns
als Partner ist entscheidend,
dass auf die gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen reagiert
wird – vor 70 Jahren genauso
wie heute. Das setzt der Verein
perfekt um“, sagt der Leiter der
AK-Arbeitnehmerschutzabtei-
lung und JAW-Aufsichtsratsmit-
glied Karl Schneeberger. Durch
den Bau neuer Einrichtungen
in der gesamten Steiermark
installierte JAW ein Netzwerk,
das bereits Mitte der 50er eine
breitgefächerte Berufsvorbe-
reitung ermöglichte. Zu die-
sem Zeitpunkt galt noch die
klassische Rollenverteilung –
Mädchen mussten putzen und
kochen, während die Burschen
in der Werkstatt anzutreffen
waren. 70 Jahre später arbeiten
die Jugendlichen als Pflegeas-
sistenten oder IT-Mitarbeiter.
„Vielfalt ist für uns ganz wich-
tig“, betont Geschäftsführer
Walerich Berger.
Vorreiter
Doch nicht nur Jugendliche
stehen bei JAW im Mittel-
punkt. Nachdem imAnschluss
an den Zweiten Weltkrieg die
Verbrechen an Behinderten
verdrängt wurden, erweiterte
der Verein 1952 sein Ange-
bot. Mit der „Berufsvorschule
für Behinderte“ wurden ab
sofort auch Menschen mit
Beeinträchtigung unterstützt.
„Aktuelle Ereignisse waren
für uns schon immer entschei-
dend“, meint Berger. Heute ist
die Arbeit mit Behinderten
ein zentrales Aufgabengebiet
von JAW.
Wohnen
Schon früh gab es eigene Inter-
nate für Berufsschüler. Da es ab
den 60er Jahren vermehrt Aus-
bildungsplätze für Mädchen
gab, stellte JAW sogar ein eige-
nes Heim für Schülerinnen zur
Verfügung. Im Laufe der Jahre
wollten immer mehr Jugend-
liche an den JAW-Standorten
wohnen. Daher eröffnete 1982
die erste sozialpädagogische
Wohngemeinschaft in Graz.
Mittlerweile reicht das Ange-
Chris Zenz
Ursula Kothgasser | www.koco.at
„Mein Wunsch für
die kommenden 70
Jahre ist, dass Jugend
am Werk weiterhin
gute Lösungen für
hilfsbedürftige
Menschen entwickelt.“
Walerich Berger
GF Jugend amWerk
Jugend am Werk
Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit: Die Ideen des modernen Staats
entstanden während der Aufklärung. Im 21. Jahrhundert haben wir
uns längst daran gewöhnt. Dass Populistenmit demVersprechen einer
autoritären Gesellschaft Mehrheiten organisieren, ist dagegen eine
neue Erfahrung. Der Historiker Philipp Blom sieht die westlichen Ge-
sellschaften vor einer prekären Wahl: radikale Marktliberale einerseits,
autoritäre Populisten andererseits. Sie gaukeln uns einfache Lösungen
für die globalen Herausforderungen vor. Nur mit einem illusionslosen,
historisch informierten Blick auf die Gegenwart und mit der Überzeu-
gung, dass allenMenschen ein freies Leben zusteht, können wir unsere
humane Gesellschaft retten.
Philipp Blom: Was auf
dem Spiel steht.
Hanser Verlag. 224 Seiten.
„Lemminge folgen blind,
auch wenn sie sich selbst ins
Verderben stürzen.“ Damit es
den Menschen nicht gleich
ergeht, braucht es kritische
Geister – wie Autor Philipp
Blom.
I
m Rahmen der Stiftingtaler
Gespräche wird Blom in
Anlehnung an sein Buch „Was
auf dem Spiel steht“ über die
gesellschaftlichen Herausfor-
derungen sprechen und dem
Publikum einen Denkanstoß
geben. Der Historiker sieht
den Klimawandel, den Kon-
sumzwang und die Digitalisie-
rung als große Aufgaben. Bei
der anschließenden Podiums-
diskussion mit AK-Präsident
Josef Pesserl und Volkswirt-
schaftsprofessor Heinz Kurz
wird Blom über Lösungen
debattieren, damit einer Selbst-
ausrottung – ähnlich wie bei
Lemmingen – vorgebeugt wird.
Ziel der Veranstaltung ist es, für
Aufklärung zu sorgen und ge-
sellschaftliche und politische
Abläufe zu hinterfragen.
NF
Stiftingtaler Gespräche:
„Lemminge auf demWeg
zum Abgrund”
Dienstag, 2. Oktober 2018
10 Uhr, Kammersäle Graz
Eintritt frei
Anmeldung:
ZAK
nfo
Philipp Blom:
Was
auf dem Spiel steht
Bei etlichen Meinungen – von
der Bildungs- bis zur Flücht-
lingsfrage – gibt es oft ein Pro
und ein Kontra, die gleicher-
maßen Plausibles und Wah-
res an sich haben. Hier einen
vernünftigen Weg zu finden,
der auf lange Sicht zum guten
Ergebnis führt – das ist eben,
mit Fred Sinowatz gesagt, sehr
kompliziert.
Immerhin gibt es unserer ver-
worrenen Welt doch einiges,
das man als selbstverständlich
voraussetzen und anstreben
sollte: Anstand, Fairness und
Verantwortung.
Willi Tell
Arno Burgi / dpa / picturedesk.com