ZAK Mai 2015_ES - page 19

INS SCHWARZE
Tja, früher!
Willi Tell
Ich war einmal – lang ist´s her
– Betriebsrat und denke mit
gemischten Gefühlen daran.
Merken Sie, wie betont höflich
ich das sage? In dieser Funkti-
on bekommt man nämlich das
Gefühl vermittelt, alles grund-
sätzlich falsch zu machen. Und
diesen Eindruck vermitteln ei-
nem nicht der Kapitalist und
Verhandlungsgegner, sondern
die eigene Kollegenschaft.
Wenn man mit einer Forde-
rung beim Unternehmen auf
Granit beißt, ist man in ihren
Augen ein Schwächling. Boxt
man für sie etwas durch, dann
erscheint das Erreichte den
Leuten selbstverständlich und
bleibt unbedankt.
Als ich einmal nach umständ-
lichen Verhandlungen eine
pauschalierte Prämie durch-
setzte, hörte ich nicht: „Fein,
dieses Geld hat‘s früher nicht
gegeben, danke!“ Ich hörte
ein griesgrämiges: „Was, nur
so wenig?“
Dass ich den Krempel nicht
sofort hingeschmissen habe,
wundert mich jetzt. War ich
in meiner Jugend denn tat-
sächlich so belastbar und so
leidenswillig?
Als richtig guter Betriebsrat
galt ich aber, als ich nimmer
bei der Firma war. Wie hat
man mir da auf die Schulter
geklopft und mich gelobt!
Wie man mir zutrug, hieß es
oft: „Unter dem Willi hätte es
das nicht gegeben.“ Aber die
Kollegen hatten halt wen zum
Betriebsrat gewählt, dessen
Courage- und Solidaritäts-
muskulatur eher schwach ent-
wickelt ist.
Ich lernte bitter: Der optimale
Betriebsrat ist der gewesene.
Einstein & E nfalt
Ein satirisches Doppel
von
Berndt Heidorn
Müller:
Grüssie, Huber! Was
sagens, jetzt habens seit unse-
rem letzten Plauscherl doch
tatsächlich eine Steuerreform
zsammbracht!
Huber:
War aber auch schon
höchste Zeit, wo doch die alte
Progression die ganzen Lohn-
erhöhungen weggfressen hat!
Müller:
Kalte Progression,
nicht alte Progression, Sie
Kretin!
Huber:
Was hat jetzt Überba-
ckenes damit zu tun?
Müller:
Kretin, nicht Gratin.
Ein Kretin ist ein Vollidiot.
Huber:
Na also, wieso sagens
das nicht gleich. Immer diese
Fremdwörter …
Müller:
Gut, dann also Vollidi-
ot. Und wie erklär ich einem
Vollidioten die kalte Progres-
sion?
Huber:
Geben Sie sich halt
ein bisschen Mühe. Sie sind
doch sonst auch so gut im
Klugscheißen.
Müller:
Also gut, ich probiers:
Wenn sie eine Lohnerhöhung
kriegen und durch diese Lohn-
erhöhung überspringt ein Teil
Ihres Einkommens die nächst-
höhere Progressionsstufe, zah-
len Sie für diesen Teil mehr
Steuer. Und das nennt man die
kalte Progression.
Huber:
Na ja, wegn den paar
Netsch …
Müller:
Ein paar Netsch? Bei
dreieinhalb Millionen Arbeit-
nehmern kommen da über die
Jahre schon ein paar Milliar-
den Euro zusammen, ohne
dass der Finanzminister auch
nur einen Finger rührt!
Huber:
Heißt im Klartext,
die Steuerreform ist kein Ge-
schenk, sondern die Rückgabe
dessen, was uns vorher abge-
knöpft worden ist?
Müller:
Huber, Sie sehen mich
erstaunt! So viel Durchblick
hätt ich Ihnen gar nicht zu-
getraut.
Huber:
Sagens Müller, hats
SATIRE
Ericos – Fotolia
dass er aus 40 Kilometern
ungspitzt …
Müller:
Was heißt hier un-
gspitzt? Er ist mit dem Fall-
schirm mehr oder weniger
sanft gelandet.
Huber:
Ah so, ich hab nur
gedacht, bei dem, was er
über eine „gemäßigte Dik-
t a t u r “ u nd d i e „g s u nde
Watschn“ so gefaselt hat …
Wieso, was is mit dem?
Müller:
In die Schweiz aus-
gewander t, wei l ihm das
Finanzamt nicht die Steuer-
privilegien wie einem Spit-
zensportler eingeräumt hat.
Hu b e r :
Na g e h n s , e i n e
Arschbombe aus 40 Kilo-
metern ist keine Sportart?
Echt e Spa ßb r ems en , d ie
Finanzer!
Müller:
Eben. Und darum
ist er stiften gegangen. Was
fällt Ihnen jetzt zum Strato-
Felix ein?
Huber:
Baba und foi ned.
nicht ursprünglich geheißen,
es soll auch eine Vermögens-
steuer geben? Was ist denn
daraus geworden?
Müller:
Nix, Gott sei Dank.
Huber:
Wieso Gott sei Dank?
Müller:
Ich habe vor meinem
geistigen Auge schon Scharen
von Millionären auswandern
gesehen!
Huber:
Na, und?
Müller:
Denkens an die Kon-
sequenzen, Huber: Der Wör-
thersee – entvölkert! Die „Sei-
tenblicke“ – eingestellt! Die
Nobelboutiquen am Wiener
Graben – pleite!
Huber:
Aber gehns, Müller, es
wird doch nix so heiß gessen,
wies gekocht wird!
Müller:
Haben Sie eine Ah-
nung, habens das vom Felix
Baumgartner nicht ghört?
Huber:
Felix Baumgartner,
Felix Baumgartner … Ist das
nicht der, dem sein Sponsor
so viel Flügel verliehen hat,
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