ZAK_Juli_2018_Werner_Ansicht_neu - page 20-21

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FRAUEN
FRAUEN
©Jacob Lund - stock.adobe.com
Der 12-Stunden-Tag
bringt
einen massiven Rückschritt:
Nicht nur im Arbeitszeitrecht
an sich, sondern auch in der
Gleichstellung.
D
ie Arbeitszeiten von Frau-
en und Männern haben
sich in den vergangenen Jahr-
zehnten kontinuierlich ange-
nähert. Der 12-Stunden-Tag
könnte diesen Trend verlang-
samen oder sogar stoppen.
Viele Frauen mit Kindern
wären damit gezwungen, ihre
Arbeitszeit zu reduzieren oder
die Erwerbstätigkeit ganz auf-
zugeben, weil sich sonst die
Kinderbetreuung nicht mehr
organisieren lässt, zumal die
Männer aufgrund der langen
Arbeitstage ausfallen.
Überstundenfalle
Laut einer Befragung von be-
12-Stunden-Tag:
partnerschaftliche
Teilung von Beruf und Familie unmöglich
Im Vergleich
zu den Vorjah-
ren zeigt der „5. Kinderbetreu-
ungsatlas“ der AK Steiermark
leichte Verbesserungen auf, es
besteht aber Luft nach oben.
V
on 287 steirischen Ge-
meinden erfüllen 124
(2017: 113) die Kriterien für
die „Kategorie A“: „Für diese
Kategorie müssen eine Betreu-
ungseinrichtung für Kinder
unter drei Jahren, ein Ganz-
tageskindergarten und eine
Nachmittagsbetreuung für
Volksschulkinder vorhanden
sein“, erläutert Bernadette
Pöcheim, Leiterin des AK-
Frauenreferats.
D
as Kinderbetreuungsgeld ist
eine Geldleistung des Versi-
cherungsträgers und bei der zu-
ständigen Krankenkasse zu bean-
tragen. Mittlerweile gibt es zwei
verschiedene Kinderbetreuungs-
geldvarianten. Das einkommens-
abhängige Modell, das sich bei
einem Verdienst ab 1.400 Euro
brutto auszahlt, sowie das Konto-
Modell mit monatlichen Fixbeträ-
gen. Kinderbetreuungsgeld be-
kommen Eltern unabhängig von
einem Arbeitsverhältnis. Solange
Kinderbetreuungsgeld bezogen
wird, ist man auch krankenver-
sichert. Die Zuverdienstgrenzen
zum Kinderbetreuungsgeld sind
je nach Modell gesondert zu be-
achten. Eine Karenz – die Freistel-
lung vom Betrieb – ist gesondert
der Firmenleitung zu melden.
Brigit Klöckl
AK-Frauen
Was ist das
Kinderbetreuungsgeld?
ZAK
TIPPS
Der OGH
hat aufgrund einer
Klage entschieden, dass
regelmäßig geleistete Über-
stunden sowie Sonn- und
Feiertagsentgelte, die vor der
Schwangerschaft geleistet
wurden, für das Wochengeld
zu berücksichtigen sind.
D
as Wochengeld soll wäh-
rend der Zeit der Mutter-
schutzfrist vor und nach der
Geburt den Nettolohn komplett
ersetzen. Bemessen wird das
Wochengeld aus dem durch-
schnittlichen Nettoverdienst
der letzten drei Kalendermona-
te vor Schutzfristbeginn.
Die Sozialversicherung hatte
argumentiert, dass Arbeitneh-
merinnen ja ab Beginn bzw.
Mitteilung der Schwanger-
schaft an den Arbeitgeber keine
Überstunden, Sonn- und Feier-
tagsdienste mehr leisten dür-
fen. Daher seien diese bei der
Berechnung des Wochengeldes
AK-Erfolg:
Mehr Wochengeld
auch nicht zu berücksichtigen.
Der Oberste Gerichtshof (OGH)
sah das anders und folgte der
Rechtsmeinung der AK: Wenn
eine Arbeitnehmerin vor der
Schwangerschaft regelmäßig
Überstunden oder Sonn- und
Feiertagsarbeit geleistet hat,
müssen diese auch bei der
Berechnung des Wochengel-
des berücksichtigt werden.
Dies gilt ab sofort bei neuen
Anträgen.
Rückwirkend ab 2016
Wurde Wochengeld bereits
ausgezahlt, dann gibt es die
Möglichkeit, von der Sozial-
versicherung eine Nachver-
rechnung zu verlangen. Dazu
ist eine vom Arbeitgeber kor-
rigierte Arbeits- und Entgelts-
bestätigung, bei der die Über-
stunden berücksichtigt sind,
vorzulegen. Eine rückwirkende
Neuberechnung ist für Fälle ab
2016 auf Antrag möglich.
JF
rufstätigen Eltern mit Kin-
dern bis zwölf Jahren leisten
rund die Hälfte der vollzeitbe-
schäftigten Väter regelmäßig
Überstunden. Ist die Partnerin
nicht erwerbstätig, werden
besonders viele Überstunden
geleistet: 40 Prozent dieser
Vollzeitbeschäftigten leisten
mehr als zehn Überstunden
pro Woche.
Der vom Familienministerium
durchgeführte „Väterbarome-
ter“ zeigt, dass Väter sich ein
Arbeitsleben wünschen, das
mit dem Familienleben verein-
bar ist. Sieben von zehn Vätern
im Alter von 18 bis 29 Jahren
wünschen sich eine Arbeits-
zeitreduzierung zugunsten der
Familie. Fast die Hälfte von ih-
nen möchte die Arbeitszeit um
bis zu 20 Prozent reduzieren.
Keine Teilung
Ein genereller 12-Stunden-Tag
dreht die Arbeitsteilung zwi-
schen den Geschlechtern in die
gegenteilige Richtung zurück.
Angesichts der Rahmenbe-
dingungen mit Kindergärten,
die vielfach bereits vor 15 Uhr
schließen oder der Mehrzahl
der Schulen, deren Öffnungs-
zeiten auf Teilzeit ausgerichtet
sind, sind durch die Forcie-
rung von Überstunden und
dem 12-Stunden-Tag Rück-
schritte bei der partnerschaft-
lichen Aufteilung von Beruf
und Familie vorprogrammiert.
Zu kurz gedacht
„Es ist zu kurz gedacht, den
12-Stunden-Tag als wirtschaft-
liche Notwendigkeit zu for-
cieren und dabei gleichzeitig
gut qualifizierte Frauen mit
Kindern aus der Erwerbstä-
tigkeit hinauszukicken“, sagt
Bernadette Pöcheim, Leiterin
des AK-Frauenreferats: „Ist es
wirklich wünschenswert, dass
Männer wieder der Berufs-
tätigkeit zuliebe ihre Kinder
vernachlässigen und das Po-
tenzial der Frauen auf die Kin-
derbetreuung reduziert wird?“
Die überwiegende Mehrzahl
der Eltern will das nicht. Sie
wollen beides: Ihre Qualifi-
kationen im Beruf umsetzen
und Zeit mit ihren Kindern
verbringen.
JF
In letzter Zeit
häufen sich
wieder die Beschwerden von
Beschäftigten, die in ihrem
Betrieb Diskriminierung auf-
grund ihrer Herkunft ausge-
setzt sind. 1.000 Euro Scha-
denersatz sind das Minimum.
V
or allem im Hilfsarbeiter-
oder Produktionsbereich
komme ethnische Diskrimi-
nierung oft vor, schildert AK-
Gleichstellungsexpertin Birgit
Klöckl: „Von den Kollegen
hören Betroffene oft ‚Scheiß
Ausländer‘, ‚Ungeziefer‘ oder
‚So viele Jugo in der Firma sind
nicht gut‘.“ Das Gleichbehand-
lungsgesetz bestimmt, dass
Diskriminierungen aufgrund
der ethnischen Zugehörigkeit
in einem Arbeitsverhältnis
verboten sind. Das Opfer kann
sowohl gegen seine direkten
Belästigerinnen und Belästiger
„Ungeziefer“
kann teuer kommen
als auch gegen die Arbeitge-
berin bzw. den Arbeitgeber
vorgehen, wenn sie nicht für
Abhilfe sorgen. Sollte dies
der Fall sein, hat das Opfer
Anspruch auf Schadenersatz.
„Die meisten Betroffenen be-
kommen Depressionen, es ent-
steht ein Krankheitsbild und/
oder sie kündigen von selbst“,
so Klöckl.
Hitler-Gruß
Im Fall von zwei bulgarischen
Lackierern, die fast jeden Mor-
gen von zwei Kollegenmit dem
Hitler-Gruß gegrüßt wurden,
erwirkte die AK Schaden-
ersatz. Denn abgesehen von
den Kollegen tolerierte und
unterstützte der Chef die Dis-
kriminierung. Den beiden Voll-
zeitbeschäftigten wurden vom
Gericht je 1.850 Euro Schaden-
ersatz zugesprochen.
JF
Ganztageskindergärten
Spärlicher gesät sind jene Ge-
meinden, die den zusätzlichen
Kriterien des „Vereinbarkeits-
indikators für Familie und
Beruf“ (VIF) gerecht werden.
„Nur“ 59 Gemeinden bieten
Betreuungsmöglichkeiten für
Kinder von 0 bis zehn Jahren
mit Öffnungszeiten an, die
beiden Elternteilen eine Voll-
zeitbeschäftigung ermöglicht.
In 90 Gemeinden werden Kin-
der in einem Halbtageskinder-
garten betreut. 24 Gemeinden
bieten keine Betreuung von
unter Dreijährigen.
Öffnungszeiten
Als positiv erweisen sich die
verbesserten Jahresöffnungs-
zeiten in den Ferien durch die
Kooperationen der Kindergär-
ten innerhalb einer Gemeinde
und angrenzender Gemeinden.
Verbesserte Tagesöffnungszei-
ten bei mehreren Einrichtun-
gen einer größeren Gemeinde
oder Stadt sind ebenfalls er-
kennbar.
Berufstätige Eltern
Fortschritte seien zwar da,
dennoch gebe es Lücken, sagt
AK-Präsident Josef Pesserl:
„Die Betreuungssituation hat
sich in den letzten Jahren suk-
zessive verbessert – von einer
flächendeckenden Betreuung
kann jedoch nicht gespro-
chen werden. Die zeitlichen
Anforderungen an die Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitneh-
mer wie auch die von ihnen
verlangte Flexibilität steigen
ständig. Es ist daher dringend
erforderlich, flächendeckend
ausreichende Kinderbetreu-
ungsangebote zu schaffen.“
JF
Kinderbetreuung
kontra
Arbeitsrealität der Eltern
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