ZAK_Juli_2018_Werner_Ansicht_neu - page 10-11

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ARBEITSRECHT
ARBEITSRECHT
Bei einem Stellenange-
bot
mit hohem Fixum und
freier Zeiteinteilung schlug
eine Steirerin zu. Doch der
Traumjob war ein Albtraum.
Arbeitsverträge sollte man
vor dem Unterzeichnen bei
der AK prüfen lassen.
Z
u schön, um wahr zu
sein: Eine Steirerin musste
selbst erleben, dass der Volks-
mund recht hatte. Sie hatte sich
auf ein verlockendes Stellenin-
serat für eine Vertriebstätigkeit
im Außendienst eingelassen
und ohne viel Überlegung ei-
nen Dienstvertrag unterschrie-
ben. Anstatt der angekündigten
freien Zeiteinteilung gab es
strikte terminliche Vorgaben,
die auch teilweise vom Dienst-
geber kontrolliert wurden.
Statt Fixum Provisionen
Aus allen Wolken fiel die
Frau jedoch, als sie die erste
Gehaltsabrechnung sah. Sie
Der Traumjob
war
am Ende ein Albtraum
Die Altersteilzeit,
also der
gleitende Übergang mit we-
niger Wochenstunden in die
Pension, wird erschwert.
A
ktuell können Frauen mit
53 Jahren und Männer
mit 58 Jahren in Altersteilzeit
gehen. Diese Altersgrenzen
werden schrittweise erhöht.
Männer können ab 2019 erst
mit 59 in Altersteilzeit gehen,
und 2020 erfolgt eine weitere
Anhebung auf 60 Jahre. Bei
Frauen erfolgt eine Anhebung
auf 54 Jahre ab 2019 und auf 55
Jahre im Jahr 2020. Achtung:
Bei Frauen überschneidet sich
die verschärfte Altersteilzeit
mit der schon vor Jahren be-
schlossenen schrittweisen
Anhebung des Regelpensions-
alters an jenes der Männer.
Klarheit, ab wann eine Alters-
teilzeit möglich ist, schafft der
online verfügbare AK-Alters-
teilzeitrechner.
Bei der Altersteilzeit wird
die Arbeitszeit zwischen 40
und 60 Prozent reduziert, der
Entgeltverlust wird zur Hälfte
ausgeglichen. Die Sozialversi-
cherungsbeiträge werden voll
weitergezahlt, auch die Abfer-
tigung bleibt ungeschmälert.
Es gibt die kontinuierliche
Altersteilzeit und die geblockte
Variante, bei der zuerst voll
weitergearbeitet wird und der
zweite Teil dann ganz arbeits-
frei ist.
Männer, die eine Schwerarbei-
terpension oder eine Korridor-
pension schon vor der Regel-
pension anstreben, werden die
maximal möglichen fünf Jahre
der Altersteilzeit insbesondere
bei der geblockten Altersteil-
zeit nicht mehr ausschöpfen
können.
SH
Altersteilzeit
verschärft
Die Leseschwäche
einer
Raumpflegerin nutzte ihre
Firma aus. Die Frau unter-
schrieb ein Papier, das einen
Forderungsverzicht enthielt.
„Unsere Mitarbeiter sind un-
ser höchstes Gut“, schreibt
eine Reinigungsfirma auf ihrer
Homepage. „Ich kann das nicht
bestätigen“, sagt AK-Jurist
Stefan Schmelzer. Er vertritt
den Fall einer Reinigungskraft,
deren Leseschwäche von der
Firma ausgenutzt worden ist.
Das Unternehmen ist bei der
AK bekannt, mehrere andere
Verfahren sind im Laufen.
Zu Unterschrift gedrängt
Die Reinigungskraft war im
Krankenstand, in Begleitung
ihres Mannes brachte sie die
Leseschwäche
ausgenutzt
Nach Ablauf
der Kündi-
gungsfrist stellte der Dienst-
geber die Entgeltzahlungen
ein, hätte aber noch acht
Wochen zu zahlen gehabt.
Ein von der AK Steiermark
erwirktes OGH-Urteil schafft
Klarheit.
A
m selben Tag, an dem sich
eine 51-jährige Küchen-
hilfe bei ihrem Dienstgeber
krankgemeldet hat, erhielt sie
über WhatsApp ihre Kün-
digung: Die Firma sehe sich
„gezwungen, sie zu kündigen“.
Bis zum Ablauf ihrer 14-tägi-
gen Kündigungsfrist erhielt
die Grazerin ihre Ansprüche.
Kündigung im Krankenstand:
1.300 Euro für Küchenhilfe
Da die Frau aber rund fünf Mo-
nate im Krankenstand bleiben
musste, hätte der Dienstgeber
aufgrund der von ihm imKran-
kenstand ausgesprochenen
Kündigung die Entgeltfort-
zahlung über die Frist hinaus
fortsetzen müssen.
Zehn Wochen
„Anspruch auf Entgeltfort-
zahlung besteht hier über das
arbeitsrechtliche Ende des
Arbeitsverhältnisses hinaus,
bis der Arbeitnehmer wie-
der gesund ist“, erklärt AK-
Arbeitsrechtsexperte Michael
Kohler: „Längstens aber bis
zur Ausschöpfung des Ent-
geltfortzahlungsanspruches
von sechs Wochen vollem und
vier Wochen halbemEntgelt im
konkreten Fall.“ Die AK klagte
für die Frau den ausstehenden
Entgeltanspruch erfolgreich
ein. Sie bekam rund 1.300 Euro
zugesprochen.
Krank am Feiertag
Nicht zugesprochen wurden
der 51-Jährigen drei Feiertage,
die im Zeitraum des Entgelt-
zahlungsanspruches lagen.
Wegen dieser drei Tage ging
die AK Steiermark in Berufung.
Der Oberste Gerichtshof (OGH)
entschied, dass Feiertage in
der Kündigungsfrist die Ent-
geltfortzahlung verlängern,
Feiertage, die imKrankenstand
darüber hinaus liegen, aber
nicht berücksichtigt werden.
„Die Frau bekam einen Feier-
tag, der in der Kündigungsfrist
lag, zuerkannt, weil der Ar-
beitstag schon aufgrund des
Feiertags ausfällt und nicht
wegen des Krankenstandes“,
erklärt Kohler.
Klares Urteil
Rechtlich interessant ist der
Fall, da es durch das OGH-
Urteil nun eine Klarstellung zu
der Thematik gibt. Bisher gab
es nur eine Judikatur zu dem
Thema aus dem Jahr 1996, die
AK Steiermark hat nun eine
zweite Entscheidung erwirkt.
JF
ärztliche Bestätigung in die Fir-
ma. Da wurde die Frau von ih-
rem Chef in sein Büro gebeten,
ihr gut Deutsch sprechender
Gatte musste draußen bleiben.
Ihr wurde erklärt, die Firma
habe einen Reinigungsauf-
trag verloren. Ihre Arbeitszeit
werde daher auf 15 Stunden
pro Woche reduziert oder ihr
müsse gekündigt werden. Vor
die Wahl gestellt, stimmte
sie der Kündigung zu. Doch
unterschrieben hat sie eine
einvernehmliche Auflösung
mit einem Forderungsverzicht
für alle Ansprüche.
Urlaubsgeld abgezogen
Bei der Endabrechnung ent-
deckte der AK-Jurist den Ab-
zug von Urlaubsgeld.
Auf die AK-Intervention ging
die Firma nicht ein, sondern
behauptete, die Beendigung
des Arbeitsverhältnisses sei
von der Dienstnehmerin aus-
gegangen und der Abzug durch
den Forderungsverzicht ge-
deckt. Erst der Gerichtsweg
brachte der Grazerin ihr Ur-
laubsgeld in der Höhe von
350 Euro.
Der Firma kostete das Verfah-
ren samt Gerichtsgebühren
mehr als 1.200 Euro.
SH
bekam nicht das im Stellen-
angebot genannte Fixum von
4.500 Euro, sondern erfolgsab-
hängige Provisionen. Überdies
musste die Steirerin für die
ihr zur Verfügung gestellten
Vorführwaren eine Kaution
und eine monatliche Miete
bezahlen. Beides wurde bei
der Abrechnung abgezogen.
Dagegen gab es keinerlei Ersatz
ihrer Kosten, die bei der Fahrt
zu den Kundenterminen mit
ihrem Privat-PKW angefallen
waren.
Freier Dienstvertrag
Bei der Prüfung ihrer Unterla-
gen stellte AK-Juristin Verena
Stiboller fest, dass die Frau
einen angeblich „freien Dienst-
vertrag“ unterschrieben hatte.
Vertraglich festgehalten war,
dass arbeitsrechtliche Bestim-
mungen nicht zur Anwendung
kommen und es deshalb kein
Recht auf Urlaub, Sonderzah-
lungen, Krankenentgelt und
vieles mehr gebe.
Die Steirerin wollte eine
schnelle Lösung. Auf Inter-
vention der Arbeiterkammer
wurden der Frau die abgezo-
genen Mieten und Kautionen,
Provisionen und Kilometergel-
der bezahlt.
Eine gerichtliche Prüfung, ob
es sich in Wahrheit um einen
normalen Dienstvertrag mit
allen arbeitsrechtlichen An-
sprüchen handelt, dauerte der
Frau zu lange.
Verträge prüfen lassen
Bei so weitreichenden Ent-
scheidungen, wie es das Un-
terzeichnen eines Arbeits-
vertrages ist, sollte man die
Juristinnen und Juristen der
Arbeiterkammer einschalten.
Sie können rasch erkennen,
ob in dem Vertragswerk Fallen
eingebaut sind. Wird der Ver-
trag für eine Nachdenkpause
nicht mitgegeben, sollte man
überhaupt die Finger davon
lassen.
SH
Arbeitsverträge bergen
oft Tücken. Eine Über-
prüfung des Vertrages
vor dem Unterschrei-
ben schützt vor bösen
Überraschungen.
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