ZAK_Juli_2018_Werner_Ansicht_neu - page 2-3

vom
Chef diktiert?
„Freiwillig”
oder
Bei Gleitzeit entfallen
Überstundenzuschläge
Gleitzeit bedeutet, Beginn und Ende der täglichen Normalar-
beitszeit können selbst bestimmt werden. Diese Selbstbestim-
mung ist im Arbeitsleben nur selten gegeben. Es ist davon
auszugehen, dass künftig oft zwölf Stunden amTag gearbeitet
werden muss. Die AK-Vertretungspraxis und erste Aussagen
von Wirtschaftsvertretern zeigen, dass um Zuschläge bis zum
Gericht gestritten werden muss. Regeln für zeitliche Selbstbe-
stimmung fehlen komplett, etwa für eine Beschränkung der
Kernarbeitszeit oder für den Verbrauch des Gleitzeitguthabens
(z. B. mehrere Tage am Stück frei).
Kein Schutz
durch Betriebsrat
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zum
Schutz der Beschäftigten fällt mit dem neuen Ge-
setz. Bisher war eine Ausdehnung der Arbeitszeit
auf bis zu 12 Stunden an spezielle betriebliche
Gründe und die Zustimmung des Betriebsrates
gebunden. Ohne Betriebsrat waren eine Einzel-
vereinbarung mit jedem Beschäftigten und die
Zustimmung der Arbeitsmedizin notwendig. Das
alles gibt es im neuen Gesetz nicht. Bestehende
Betriebsvereinbarungen zur 11. und 12. Stunde
mit oft guten Zuschlägen (z. B. 100 % Zuschlag
statt 50 %) werden kaum bestehen bleiben.
Kein Anspruch
auf Freizeit
Die Regierung argumentiert: Wenn von Montag bis
Donnerstag Überstundenarbeit notwendig ist (z. B.: 12
Stunden), kann man am Freitag zu Hause bleiben. Das ist
falsch. Laut einer OGH-Entscheidung wäre das ohne Zu-
stimmung des Arbeitgebers ein Entlassungsgrund. Die
Pflicht zur Leistung der vereinbarten Normalarbeitszeit
(meist Montag bis Freitag oder Samstag) bleibt unver-
ändert aufrecht. Einen Anspruch auf einen ganztägigen
Zeitausgleich gibt es im neuen Gesetz nicht. Erst nach
einem halben Jahr gibt es ein Recht auf Zeitausgleich.
Kürzere Ruhezeiten
imTourismus
Im Tourismus soll das Recht auf mindestens elf Stunden Ruhe-
zeit auf acht Stunden reduziert werden. Das bedeutet etwa,
dass eine Kellnerin oder ein Kellner bis in die Nacht hinein
serviert und bereits am Morgen das Frühstück zubereitet. Der
Fachkräftemangel in diesemwichtigen heimischenWirtschafts-
zweig wird durch diese Maßnahme sicher nicht kleiner werden.
Die Unfallgefahr steigt
Der Mensch kann nicht über mehrere Stunden kon-
zentriert arbeiten, sagen die Wissenschaft und die
Erfahrung. Es schleichen sich Fehler ein, die Quali-
tät der Arbeit nimmt ab. Am Bau oder bei der Arbeit
mit Maschinen können selbst kleine Fehler schnell
zu bösen Unfällen führen. So ist nachgewiesen, dass
die Unfallhäufigkeit ab der achten Arbeitsstunde
stark ansteigt. Dazu kommt die Gefahr bei einer
Heimfahrt im Auto in übermüdetem Zustand.
30 Prozent
mehr Überstunden
Die zulässige Überstundenarbeit wird um 30
Prozent erhöht. Bisher waren 320 Überstunden
pro Jahr zulässig. Künftig sind es 416 Überstun-
den, also um 96 Stunden mehr. Die Grenze ist
das EU-Arbeitszeitrecht (im 17-Wochenschnitt 48
Stunden pro Woche). Die Behauptung, dass das
Arbeitszeitausmaß unverändert bleibt, ist falsch.
LangeWochenenden
in Gefahr
Bei einer 5-Tage-Woche von Montag bis Freitag
fallen durchschnittlich elf Feiertage auf diesen
Zeitraum. Mit Betriebs- oder Einzelvereinbarung
kann künftig an vier Feiertagen – also bei mehr
als einem Drittel aller Feiertage – gearbeitet wer-
den, die beliebten langen Wochenenden durch
Feiertage und Fenstertage sind also in Gefahr.
Viele Beschäftigte werden sich einer derartigen
Zustimmung nicht entziehen können, wenn sie
vom Arbeitgeber gewünscht wird. Alternativ kön-
nen auch vier Sonntage zum Arbeitstag gemacht
werden.
Mehr arbeiten
für das gleiche Geld
Alle Beschäftigten mit All-inklusive-Verträgen
oder pauschaler Abgeltung sämtlicher geleis-
teter Überstunden „dürfen“ – wie alle anderen
auch – um 30 Prozent mehr Überstunden leisten,
bekommen jedoch nicht mehr bezahlt. Laut Sta-
tistik Austria betrifft das 20 Prozent aller Vollzeit-
beschäftigten.
Graf | AK
Freiwillige Überstunden aus
Angst um den Job
Gegenüber dem ersten Entwurf wurde die Freiwilligkeit von
Überstunden im Gesetz besser verankert. Tatsächlich geht es
aber nur um die 11. und 12. Tagesstunde, die 9. und 10. Stun-
de müssen weiterhin ohne Einspruchsmöglichkeit geleistet
werden. Unverändert bleibt auch, dass jede und jeder Einzel-
ne Überstunden direkt mit dem Chef ausmachen muss – und
der sitzt immer am längeren Ast. Der Schutz des Betriebsrats
wurde abgeschafft. Die Beratungspraxis der Arbeiterkammer
zeigt, dass es schon jetzt bei mehr als einem Drittel aller Be-
ratungen und gerichtlicher Streitfälle um Überstunden geht.
Dritte Führungsebene
verliert jeden Schutz
Leitende Angestellte sind schon jetzt vomArbeits-
zeit- und Arbeitsruhegesetz ausgenommen. Künf-
tig sollen auch die„dritte Führungsebene“ und Fa-
milienangehörige der Unternehmer herausfallen.
Es geht etwa um Beschäftigte, die zeitweise klei-
nere Projekte leiten. Für die Betroffenen fallen alle
Arbeitszeitgrenzen, Ruhepausen und Mindestru-
hezeiten und alle Überstundenzuschläge weg. Sie
haben kein Recht, Überstunden zu verweigern,
keinen Anspruch auf bezahlte gesetzliche Feierta-
ge und keinen Anspruch auf freie Sonntage.
Die Ausweitung der Arbeitszeit regt auf: Eine
Arbeitsmedizin wurden ausgeschalten, der Chef
„Freiwilligkeit“ gibt es nicht. Betriebsrat und
sitzt am längeren Ast. Hier alles zum neuen Gesetz.
Bild: Betriebsrätekonferenz, siehe Seite 4.
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