ZAK Mai 2015_ES - page 4

RECHT
Ein vorzeitiger Austritt
aus einem Arbeitsverhältnis wegen
Lohnrückständen ist nicht berechtigt, wenn dem Arbeitgeber
keine Nachfrist zur Zahlung der Rückstände gesetzt wurde.
B
öses Erwachen für einen
Beschäftigten, der längere
Zeit (mehr als drei Monate)
kein Entgelt erhalten, aber
regelmäßig seinen Arbeitgeber
auf den ausständigen Lohn
hingewiesen hat. Sein vorzei-
tiger Austritt ist unberechtigt
erfolgt, entschied kürzlich das
Oberlandesgericht Wien, weil
der Arbeitnehmer versäumt
habe, die ausständigen Gelder
per Nachfrist einzufordern.
Schriftlich Nachfrist setzen
AK-Arbeitsrechtsexperte Dr.
Armin Gibiser: „Um jedes
Risiko zu vermeiden, sollte
man in jedem Fall schriftlich
eine 10- bis 14-tägige Nach-
frist setzen und für den Fall,
dass innerhalb dieser Frist
nicht das gesamte ausständige
Entgelt ausbezahlt wird, den
Austritt androhen.“
Bei Insolvenz unmöglich
Nach Ablauf der Frist muss der
Arbeitnehmer bei seiner Bank
prüfen, ob das gesamte aus-
ständige Entgelt überwiesen
wurde, und außerdem beim
Konkursgericht nachfragen,
ob über das Vermögen des
Arbeitgebers ein Insolvenz-
verfahren eröffnet worden
ist. Wenn nämlich bereits
ein Insolvenzverfahren läuft,
ist kein vorzeitiger Austritt
wegen Entgeltvorenthaltung
mehr möglich.
Rechtsfolgen
Ist ein Austritt unberechtigt,
verliert ein Arbeitnehmer
die beendigungsabhängigen
Ansprüche, wie den offenen
Urlaub. Arbeiter können auch,
abhängig vom Kollektivver-
trag, um die Sonderzahlun-
gen (Urlaubszuschuss und
Weihnachtsremunerat ion)
Vorzeitiger Austritt
nur
mit Fristsetzung berechtigt
Die Steirerin hatte diese
Lohndifferenz, weil sie im
„billigeren“ Kollektivvertrag angestellt war. AK klagte und
gewann.
umfallen. „Weitaus schwer-
wiegender können aber Scha-
denersatzansprüche des Ar-
beitgebers ausfallen“, warnt
der AK-Experte.
Der Arbeitgeber kann den
Ersatz aller Schäden fordern,
die ihre Ursache in der rechts-
widrigen Vertragsauflösung
durch den Arbeitnehmer ha-
ben. „Immer häufiger fin-
den sich in Arbeitsverträgen
auch Konventionalstrafen,
die pauschalierte Schadener-
satzansprüche – unabhängig
vom konkret eingetretenen
Schaden – vorsehen“, erklärt
Gibiser. Diese seien in der
Regel zulässig.
Putzfrau
verdiente
2.600 Euro zu wenig
M
it einer überhaupt nicht
einsichtigen Firma hatte
die AK-ExpertinMag. Martina
Schöngrundner zu tun.
Na c h Be end i g u ng i h r e s
Dienstverhältnisses kam eine
Reinigungshilfe in ihre Be-
ratung, um abzuklären, ob
die Endabrechnung korrekt
durchgeführt wurde.
Die Frau hatte über eine Fir-
ma Hotelzimmer geputzt. Sie
war im Kollektivvertrag für
Arbeiter im Hotel- und Gast-
gewerbe, anstatt im „besseren“
für Arbeiter im Denkmal-,
Fassaden- und Gebäudereini-
gungsgewerbe.
Die AK-Expertin errechnete
Lohndifferenzen von über
2.600 Euro und konfrontierte
die Firma. Diese war sich
keiner Schuld bewusst. Also
brachte Schöngrundner Klage
ein.
Gegen Willkür
Es war offensichtlich, dass
sich das Unternehmen durch
den anderen Kollektivvertrag
Personalkosten sparen wollte.
Die Gewerbeordnung schreibt
vor, dass diese Firma den
Kollektivvertrag für das Rei-
nigungsgewerbe anzuwenden
habe. Dieser entpricht der
tatsächlichen Ausübung des
Gewerbes und verhinder t
durch „willkürliche“ Anmel-
dung eines Gewerbes einen
Wettbewerbsvorteil.
In erster Instanz entschied
das Landesgericht Graz zu-
gunsten der Dienstnehmerin.
Die Gegenseite legte Berufung
ein und der Fall ging vor das
Oberlandesgericht in Graz.
Nächste Instanz
Das Urteil wurde hier be-
stätigt, da das beklagte Un-
ternehmen tatsächlich eine
Gewerbeberechtigung für das
Reinigungsgewerbe hätte ha-
ben müssen.
TIPP
Die Expertin rät generell: „In-
formieren Sie sich im Vorfeld,
welcher Kollektivvertrag auf
die Branche zur Anwendung
kommt.“ Darin stehen die
Mindestentgelte ebenso wie
die Rechte des Arbeitnehmer.
Mitarbeiter im „billigeren“ Kollektivvertrag anzustellen ist laut
Gewerbeordnung nicht zulässig.
(Fotolia/Kaspars Grinvalds)
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