ZAK Mai 2015_ES - page 7

BI LDUNG
Die Reifeprüfung
der Lehre
Die Lehrabschlussprüfung:
Der wichtigste Tag im jungen
Berufsleben zehrt an den Nerven, sonst abrufbereites Wis-
sen verwischt wie der Schweiß auf der Stirn. Gut, dass es
einfühlsame Prüfer gibt.
D
as Wichtigste für ihn ist
die Wertschätzung des
Prüflings, sagt Michael Pron-
egg. Der junge Mensch habe
drei bis vier Jahre lang eine
Lehre gemacht. Und wenn
der dann am Prüfungstag vor
einem stehe und nervös sei,
„darf man kein i-Tüpfler sein.
Entscheidend ist, dass der
Prüfling das Fach versteht,
nicht ob er in der Aufregung
ein paar Details verwechselt.“
Michael Pronegg ist einer
von knapp 500 Fachleuten,
die von der Arbeiterkammer
auf Vorschlag von ÖGB und
Gewerkschaften als Prüfungs-
beisitzer nominiert wurden.
Zusammen mit einem Fir-
menchef, der im betreffenden
Fach Lehrlinge ausbildet, und
einer von der Wirtschaftskam-
mer nominierten Fachperson
werden so dreiköpfige Prü-
fungskommissionen gebildet,
die jährlich in der Steiermark
7.500 Abschlussprüfungen in
134 Lehrberufen abnehmen.
Das Eis brechen
Vor jeder Prüfung sollte man
sich bewusst machen, dass
man in der Rolle einer Au-
toritätsperson auftrete, die
Klaus Breuss: Bunte Haare
und Tattoos nicht in Bewer-
tung einbeziehen. – Rechts:
Jeder Fünfte fällt bei Lehr-
abschlussprüfung durch.
(AK/goodluz– Fotolia)
Lebensläufe beeinflusst, sagt
Klaus Breuss. Der gelernte
Bürokaufmann und jetzige
ÖGB-Bildungschef, der selbst
zahlreiche Prüfungen abge-
nommen hat, rät zu einem
kurzen Rückblick: „Wie war
ich mit 18 Jahren, wie war
das mit meiner Nervosität und
Prüfungsangst?“ Gut sei es,
zum Einstieg das Eis zu bre-
chen und mit unbedeutenden
Smalltalk-Fragen zu beginnen.
Das Aussehen mancher junger
Menschen solle man aus-
blenden: „Bunte Haare, Tat-
toos oder Piercings gehören
zur Jugendkultur und haben
nichts mit der Bewertung
des Ausbildungsniveaus zu
tun.“ Zur Aufgabe des Prü-
fers gehöre auch die Analyse
von Stärken und Schwächen:
„Etwa zu weiteren Bildungs-
schritten motivieren oder ob
ein schlechtes Prüfungser-
gebnis selbst verschuldet oder
Ergebnis von unzureichender
Ausbildung war.“
Ehrenamt
Über den Fachkräftemangel
werde ständig gejammert,
aber viele Bet riebe sehen
die Lehrlingsausbildung nur
als Kostenfaktor, ärgert sich
AK-Präsident Josef Pesserl.
„Wir kämpfen dafür, dass
alle Betriebe ihren Beitrag
zur Lehrausbildung leisten.“
Eine Umfrage bei den von der
Arbeiterkammer nominierten
Prüfern hat gezeigt, dass auch
die Tätigkeit der Prüfer in den
Unternehmen als Kostenfaktor
gesehen wird. „49 Prozent der
Prüfer müssen Urlaub oder
Zeitausgleich nehmen, um
ihre Prüfungstätigkeit wahr-
zunehmen“, weiß AK-Experte
Manuel Pfister.
Das Engagement für die Jugend
wird gerade mit 24 Euro pro
Prüfungstag abgegolten. Der
AK-Präsident: „Eine bezahl-
te Freistellung für die Prü-
fungstätigkeit ist unbedingt
notwendig.“ Wir kämpfen für
bessere Voraussetzungen für
die Beisitzerinnen und Bei-
sitzer, meint Lehrlingsexperte
Pfister.
Rund ein Fünftel der Prüfun-
gen endet mit einer negativen
Benotung. Die AK-Jugend ana-
lysiert die Prüfungsstatistik
der einzelnen Branchen, um
bei einer Häufung negativer
Beurteilungen passende Maß-
nahmen zu setzen. Wer auf
Nummer sicher gehen will,
kann bei zahlreichen Instituti-
onen LAP-Vorbereitungskurse
besuchen. Dafür gibt es auf
Antrag bei der WK bis zu 250
Euro Förderung.
Michael Pronegg: Entscheidend,
ob Prüfling sein Fach versteht.
(AK/Graf)
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