ZAK_Nr_09_Okt_2017_Ansicht - page 18-19

AK Leoben gewinnt
Präzedenzfall gegen LKH
Die AK-Außenstelle Liezen
hat keine Kosten und Mühen
gescheut, um die Ansprüche
zweier Dienstnehmer durch-
zusetzen.
I
mHerbst 2007 wandten sich
zwei Arbeitnehmer einer
tschechischen Personalbereit-
stellungsfirma für Lkw-Fahrer
an die AK: Die Firma mit Sitz
in Innsbruck schuldete ihnen
den Lohn für zwei Monate. Die
offenen Forderungen wurden
von der Außenstelle Liezen
bei der Firma interveniert
und dann beim zuständigen
Arbeits- und Sozialgericht
Leoben eingeklagt. Da der
Innsbrucker Firmensitz in
der Zwischenzeit aufgelöst
worden wa r, konnten die
Klagen in Österreich nicht
zugestellt werden. Sämtliche
Dokumente mussten darauf-
hin ins Tschechische über-
setzt werden, damit sie an den
tschechischen Firmensitz zu-
gestellt werden konnten. Am
Verfahren
nach
zehn Jahren gewonnen
Verhandlungstermin nahm
der Chef nicht teil, ein Versäu-
mungsurteil wurde erlassen.
Langwieriges Verfahren
Die AK beauftragte darauf-
hin einen Vert ragsanwalt:
Wieder mussten sämtliche
Schriftstücke ins Tschechi-
sche übersetzt werden, ein
tschechischer Anwalt wurde
mit der Durchführung der
Exekutionsverfahren beauf-
tragt. Dabei stellte sich heraus,
dass der Dienstgeber kein
Vermögen hatte. Ein Antrag
auf Eröffnung des Konkurs-
verfahrens über das Vermögen
des Arbeitgebers musste in
Tschechien gestellt werden.
Dieses wurde schließlich im
Oktober 2016 eröffnet und die
beiden Lkw-Fahrer konnten
Einen Präzedenzfall
ge-
wann die AK-Außenstelle
Leoben: Sie konnte einer
Obersteirerin den Sterbekos-
tenbeitrag, der ihr nach dem
Tod ihres Vaters zustand,
sichern.
N
icht nur, dass sie den
Verlust des Vaters zu ver-
arbeiten hatte, musste eine
junge Leobnerin sich auch
noch mit seinem Arbeitgeber
streiten. Ihr Vater war bis zu
seinem Tod über 25 Jahre am
LKH Hochsteiermark als OP-
Gehilfe beschäftigt gewesen
und somit im Abfertigungs-
system alt. Dieses besagt,
dass der Dienstnehmer nach
25 Jahren in der Firma zwölf
Monatsgehälter Abfertigung
bekommt. Im Todesfall stehen
den gesetzlichen Erben, zu
deren Unterhalt er verpflich-
tet war, sechs Monatsgehälter
Sterbekostenbeitrag zu.
AK Leoben klagte LKH
Da die 23-Jährige nach einem
abgebrochenen Studium im
Sommer Teilzeit als Security-
Mitarbeiterin beschäftigt war,
sah das LKH keine Unterhalts-
pflicht gegeben und verweiger-
te die Auszahlung. „Unsere
Rechtsauffassung war es, dass
die Frau mit einem Einkom-
men von etwa 800 Euro nicht
selbsterhaltungsfähig ist“,
erklärt der Leobener Arbeits-
rechtsexperte Jörg Obergruber:
„Außerdem hatte sie zumZeit-
Helmut Köstinger,
oberster
Postgewerkschafter, über
Privatisierung und Aktionäre,
Krisensitzungen beim Vor-
stand und über die Zukunft
von Brief, Werbezettel und
Paket.
Bei der Post ist in den letzten
Jahren kein Stein auf dem
anderen geblieben. Warum?
Helmut Köstinger:
Seit die
damalige schwarz-blaue Re-
gierung im Jahre 2006 die
Österreichische Post AG an
die Börse gebracht hat, ist der
Arbeitsdruck auf alle unsere
Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter enorm gestiegen. Wir
haben tausende Arbeitsplätze
verloren und in dieser Zeit
wurden mehr als 1.000 Post-
filialen geschlossen.
Wie haben sich all diese Ver-
änderungen auf die Beschäf-
tigten ausgewirkt?
Köstinger:
Unsere Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter sind
gewaltig unter Druck geraten.
Leider stehen bei einem bör-
sennotierten Unternehmen
nicht mehr die Beschäftigten
im Mittelpunkt aller Überle-
gungen, sondern vielmehr der
Aktionär. Das ist schade, aber
wir geben nicht auf und kämp-
fen täglich für eine Verbesse-
rung der Arbeitsbedingungen
und für mehr Personal.
Was unternehmen Sie mit
ihrem Team, um die Situation
erträglicher zu machen?
Köstinger:
Wir sind permanent
beim Post-Vorstand vorstellig
und fordern mehr Personal,
bessere Arbeitsbedingungen
und bessere Betriebsmittel.
Geht der Post-Vorstand auf die
Forderungen ein und zeigt er
Verständnis?
Köstinger:
Der Vorstand ist
in erster Linie gewinnori-
entiert und den Aktionären
verpflichtet. Trotzdem schaf-
fen wir es als starke Betriebs-
gewerkschaft unter diesen
extrem schwierigen Rahmen-
bedingungen, das Beste für
unsere Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter herauszuholen.
Wir haben es in den letz-
ten sieben Jahren geschafft,
dass die Gehälter um 17 Pro-
zent angehoben wurden, dass
zusätzlich jährlich über 15
Millionen an Mitarbeiterbe-
teiligung ausbezahlt werden
und dass es zahlreiche andere
Bonitäten gibt. Darüber hinaus
haben wir heuer nach einer
Krisensitzung beim Vorstand
die zusätzliche Aufnahme von
hunderten neuen Kolleginnen
und Kollegen sowie bessere
Betriebsmittel wie Fahrzeuge,
Dienstkleidung, Handhelds
und anderes durchgesetzt.
Auch zur Bewältigung der
stark steigenden Paketmen-
gen haben wir zusätzliches
Personal und den Ankauf von
hunderten zusätzlichen Fahr-
zeugen durchgesetzt.
Wie sieht die Zukunft der Post
aus Ihrer Sicht aus?
Köstinger:
Der klassische
Brief, also die Rechnung oder
der Kontoauszug in Papier-
form, wird weiter abnehmen,
weil die Digitalisierung und
der E-Mail-Verkehr weiter im
Vormarsch sind. Diese Ent-
wicklung ist nicht aufhaltbar.
Den klassischen Werbezettel
im Briefkasten wird es auch
in den nächsten Jahren noch
geben. Sehr erfreulich ist die
Entwicklung im Paketbereich,
hier haben wir rasant steigen-
de Zuwächse. Daher braucht
bei der Post niemand um sei-
nen Arbeitsplatz zu fürchten
und wir werden weiterhin mit
aller Kraft für eine Verbesse-
rung der Arbeitsbedingungen
und gute Sozialleistungen
kämpfen.
ihre Ansprüche anmelden.
Schlussendlich haben die
Dienstnehmer im Juni 2017
– nach zehn (!) Jahren – ihre
ausstehenden Löhne samt
Zinsen in Höhe von 2.900 bzw.
5.100 Euro erhalten.
„Manchmal ist halt Durch-
haltevermögen gefragt unter
dem Motto ‚Aufgeben tut man
einen Brief‘“, verweist AK-
Außenstellenleiterin Petra
Kupfner auf die Ausdauer und
konsequente Vorgehensweise
ihres Teams.
JF
Da geht
die Post ab ...
„Seit dem Post-
Börsengang
wurden tausende
Arbeitsplätze
gestrichen.“
Helmut Köstinger,
Vorsitzender GPF
und des Post-
Zentralausschusses
Privat
Helmut Köstinger (rechts im
blauen Hemd) ist viel in den
Postdienststellen unterwegs,
um sich selbst ein Bild über die
aktuelle Belastung seiner Kolle-
ginnen und Kollegen machen zu
können.
ZAK
nfo
Post AG
Die Post AG ist ein internatio-
nales Unternehmen, das an der
Börse notiert. Die Post ist mit
21.700 Beschäftigten in zwölf
Ländern tätig und macht rund
zwei Milliarden Euro Umsatz.
Von den rund 18.000 Beschäf-
tigten in Österreich arbeiten
2.900 in der Steiermark. Nach
umfangreichen Schließungen
gibt es in der Steiermark noch
100 Postfilialen. Es gibt in Kals-
dorf ein zentrales Paketver-
teilzentrum, in Graz eines für
Briefe und steiermarkweit 43
Zustellbasen.
punkt des Todes ihres Vaters
bereits eine fixe Zusage für
einen im Herbst beginnenden
Studienlehrgang. Spätestens
dann hätte sie kein Einkom-
men mehr gehabt.“
14.300 Euro erstritten
Da das LKH Hochsteiermark
ablehnend auf die Interven-
tion der AK Leoben reagierte,
wurde eine Mahn-
klage eingebracht.
Das Gericht gab der
AK Recht, denn laut
Unt e rha lt sge s e t z
wäre die Leobnerin
erst ab einem Ein-
kommen von 978
Eu ro selbsterha l-
tungsfähig. Der ehe-
malige Dienstgeber
ihres Vaters musste der Frau
die knapp 14.300 Euro zahlen.
Richtungsweisend
„Mit diesem Urteil hat das
Gericht einen Präzedenzfall
geschaffen, der für alle Mit-
arbeiter, die ein Dienstver-
hältnis zum Land Steiermark
haben, angewendet werden
kann“, erklärt Obergruber.
JF
BEZIRKE
MENSCHEN
©bernardbodo - stock.adobe.com
Fotos: Post-Zentralausschuss
©Chodyra Mike - stock.adobe.com
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