20171107_ZAK-Neu - page 2-3

SCHWERPUNKT
SCHWERPUNKT
ZAK
nhalt
„Am Ende des Gehalts
bleibt noch viel Monat übrig.“
Der reale Hintergrund dieses
Scherzes sind die steigenden
monatlichen Fixkosten, vor
allem fürs Wohnen. Die AK
drängt auf Abhilfe.
Z
ahllose Statistiken bele-
gen, was viele Menschen
Monat für Monat beim Blick
auf den Kontostand bedrückt
zur Kenntnis nehmenmüssen:
Wohnen ist teuer geworden,
für viele zu teuer. Die Mietkos-
ten steigen dramatisch, Löhne
und Gehälter nur wenig. Junge
ziehen immer später aus dem
Hotel Mama aus, aber meist
nicht aus Bequemlichkeit,
sondern aus Kostengründen.
Jungfamilien mit Nachwuchs
finden kaum eine passende
Bleibe, die bezahlbar ist.
Ein Drittel des Einkommens
Das Wirtschaftsforschungs-
institut WIFO hat im Vorjahr
die „Leistbarkeit vonWohnen“
untersucht. Elf bis 15 Prozent
der Haushalte in Österreich
können sich ihre Wohnung ei-
gentlich nicht leisten, weil die
Fixkosten im Verhältnis zum
Einkommen so hoch sind.
Eine kaputte Waschmaschine
wird da schnell zur finanziel-
len Katastrophe.
Aber auch Familien mit hö-
herem Einkommen stöhnen
unter den steigenden Wohn-
kosten, die imSchnitt ein Drit-
tel des Haushaltseinkommens
ausmachen.
Kauf ist keine Option, denn
ein durchschnittliches Jah-
resgehalt reicht gerade für
einige wenige Quadratmeter
der ebenfalls sehr teuer gewor-
denen Immobilien.
BESCHLOSSEN
Arbeiter und Angestellte gleichgestellt
Mit dem Beschluss des Nationalrats vom 12. Okto-
ber 2017 haben Arbeiterinnen und Arbeiter ab 1.
Jänner 2021dieselbenKündigungsfristenwieAnge-
stellte (für Saison- und Baubetriebe können per Kol-
lektivvertrag abweichende Regelungen festgelegt
werden). Ab 1. Juli 2018 gilt eine einheitliche Ent-
geltfortzahlung bei Krankheit, Arbeitsunfall und
anderen Dienstverhinderungsgründen.
Mietvertragsgebühr wird abgeschafft
Die Mietvertragsgebühr wird für Wohnun-
gen abgeschafft. Derzeit muss noch bei Ab-
schluss eines Mietvertrages ein Prozent der
dreifachen Jahresmiete ans Finanzamt abge-
führt werden. Eigentlich müssten sich beide
Vertragsparteien diese Gebühr teilen. Sie
wird aber üblicherweise auf dieMieterin oder
den Mieter überwälzt.
Notstandshilfe unabhängig
Das Partnereinkommen wird bei
der Notstandshilfe nicht mehr
angerechnet. Betroffen sind
meist Frauen, die zwar kranken-
und pensionsversichert bleiben,
wegen des Einkommens ihres
Partners aber den Anspruch auf
Notstandshilfe verlieren.
Lehrlings-Internat künftig gratis
Ebenfalls bei der letzten Nationalratssitzung vor
der Neuwahl beschlossen: Lehrlinge, die ihre Aus-
bildung nicht in ihrer Heimatregion absolvieren,
müssen künftig die Internatskosten nicht mehr
selbst begleichen. Diese konnten bis 1.300 Euro
betragen. Zu tragen hat die Ausgaben künftig der
von den Unternehmen gespeiste Insolvenzent-
geltfonds.
Kollektivvertrag weg,
Urlaubsgeld gekürzt
4
„Gemeinnützige”
vermieten günstiger
5
Warum eine
Haushaltsversicherung?
6
AK ersparte Ehepaar
tausende Euro
7
Betriebsreportage
8/9
Streit um Überstunden
landete vor Gericht
10
Neubau AK Feldbach
11
Wiedereinstiegsmonitoring 12
Mehr Personal
im Pflegeheim
13
Betreutes Wohnen
prellte Bewohner
14
Wie kalt darf Kälte sein? 15
Lehrlinge in Lebensgefahr 16
Kein Lohn in der Probezeit 17
(Cyber-)Mobbing
ist Schulalltag
18
Robotik-College
19
VKI: Winterreifentest
20
PendlerInnenbeihilfe
21
Cholesterin:
Gut oder böse?
22
Satirisches Doppel
23
Leseecke
24
Zeitreise: Archiv – Spiegel
der Arbeiterbewegung
25
Blitzlichter
26/27
Ein Drittel
der steirischen
Wohnungen sind gemietet.
Die Kosten dafür steigen
allerdings viel schneller als
die Inflation.
W
ie wohnt die steirische
Bevölkerung und was
muss dafür gezahlt werden?
Die Arbeiterkammer wollte
es genau wissen und ließ die
staatlich erhobenen Mikrozen-
susdaten aus 2016 auswerten.
„Ein Drittel der rund 537.000
steirischen Wohnungen sind
Mietwohnungen“, erklärt AK-
Expertin Susanne Bauer. In
Graz wohnt etwa die Hälfte
der Bevölkerung in Miete. Im
Durchschnitt leben in der Stei-
ermark 2,3 Personen in einem
Haushalt. Die durchschnittliche
Größe einer Mietwohnung liegt
etwas unter demÖsterreichwert
bei 66 Quadratmetern.
Befristet
wohnt man teuer
Private teurer
Knapp die Hälfte aller Miet-
wohnungen sind private Miet-
wohnungen, vom Besitzer
einer Vorsorgewohnung bis
hin zur gewerblichen Immo-
bilienfirma. 40 Prozent der
Mietwohnungen stellen Genos-
senschaften zur Verfügung, elf
Prozent Gemeinden.
6,9 Euro pro Quadratmeter wa-
ren 2016 im Schnitt für Miete
und Betriebskosten (Brutto-
miete) zu zahlen. 7,9
E
/m
2
waren es in privaten Mietwoh-
nungen, 6,0
E
/m
2
in Genossen-
schaftswohnungen und 5,8
E
/
m
2
in Gemeindewohnungen.
Mehr Befristungen
Zwischen 2008 und 2016 ist
die Zahl befristet vermieteter
Wohnungen stark gestiegen,
von 22.900 auf 37.130 oder um
62 Prozent. Ein Fünftel aller
steirischen Mietwohnungen
werden befristet vergeben. Wer
das Pech hat, nur eine befris-
tete Wohnung zu bekommen,
zahlt doppelt drauf, sagt die
Marktforscherin: „Man muss
mit einemmöglichen Auszugs-
datum leben und auch mehr
zahlen.“ 8,7
E
/m
2
, also um 1,80
Euro mehr als im Schnitt aller
Mietwohnungen, beträgt die
Bruttomiete in einer befristet
gemieteten Wohnung in der
Steiermark.
Stärker als Inflation
Unabhängig davon, wer Ei-
gentümer ist, sind alle Miet-
kosten zwischen 2008 und
2016 stärker als die Inflation
gestiegen. Im Vorjahr lag die
Inflation bei 0,9 Prozent, die
Mieten stiegen jedoch um 2,7
Prozent. Im Bereich der Genos-
senschaftswohnungen konnte
der Kostenanstieg zumindest
vom Lohnanstieg aufgefangen
werden.
SH
Grafik: Reiterer | AK, Foto: K.-U. Häßler – fotolia
Vergleich des Anstiegs der Bruttomieten
inkl. Betriebskosten mit Inflation & Tariflohnindex
Anstieg
Inflation +14,3%
Tariflohn +20,5%
0
5
10
15
20
25
30
Insgesamt
Genossenschaft
Gemeinde
Privat
Befristet
Anstieg von
2008 bis 2016 in %
Quelle: Statistik Austria,
eigene Berechnungen
Wohnen muss
Gesetzgeber ist gefordert
Die Kostenexplosion spüren
fast alle, und in dieser Situa-
tion ist der Staat gefordert. In
einer aktuellen Umfrage vom
September wünschen sich
neun von zehn Befragten (92
Prozent), dass der Gesetzgeber
für leistbares Wohnen sorgt.
Mietrechtsreform
Die Arbeiterkammer fordert
ein einheitliches und transpa-
rentes Mietrecht, das eine wir-
kungsvolle Preisbegrenzung
ermöglicht, und die Streichung
der Befristung vonMietverträ-
gen, sagt AK-Expertin Bettina
Schrittwieser. Ebenso wichtig
ist der Ausbau des Angebots:
Es braucht mehr geförderten
Wohnbau, um den überhitzten
Wohnungsmarkt zu beruhi-
gen.
SH
Was
tun?
AK-Maßnahmen für billigeres Wohnen
einheitliches Mietrecht mit Preisbremse
Streichung befristeter Mietverträge
Betriebskosten senken
Weg mit der Maklergebühr für Mietwohnungen
Ausbau des geförderten Wohnbaues
Zweckwidmung der Wohnbauförderung im Landesbudget
Beim Wohnen versagt der freie Markt.
Hier brauchen wir mehr sozialen Wohnbau
und klare gesetzliche Regeln.
günstiger werden
Graf | AK
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ÖGB
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ZAK
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3
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