ZAK_06_Oktober_2018_Ansicht - page 4-5

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ARBEITSRECHT
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AKTUELLES
Den Versicherten
wird die
Zerschlagung der Gebiets-
krankenkassen keine Vorteile
bringen. Vertreter der Arbeit-
geber entscheiden künftig
über die Gesundheitsver-
sorgung der Beschäftigten,
PensionistInnen und Arbeits-
losen.
D
ie Regierung spricht von
einer Patientenmilliarde,
die frei werde, weil die Zahl
der Funktionäre in der Selbst-
verwaltung reduziert wird.
AK-Präsident Josef Pesserl:
„Tatsächlich kosten alle Mit-
glieder der Selbstverwaltung
im Jahr 5,6 Millionen Euro.
Das ist weniger als ein Zehn-
tausendstel der Gesamtauf-
wendungen der Sozialversi-
cherungen.“
Auch der Rechnungshof kri-
tisierte, dass die Angaben
zu den Einsparungen nicht
nachvollziehbar seien und
die Kosten der Fusion beim
vorgelegten Gesetzesentwurf
gänzlich fehlen.
Mehr Geld für Privatspitäler
In den Regierungsplänen ver-
steckt sind enorme finanzielle
Belastungen für die Kranken-
kasse. Kosten von 150 Millio-
nen Euro jährlich für die Be-
handlung von Arbeitsunfällen
werden nicht mehr ersetzt, und
die Privatspitäler bekommen
künftig pro Jahr 30 Millionen
Euro an Versicherungsgeldern
der Beschäftigten überwiesen.
Sogar eine noble Schönheits-
klinik in Wien-Döbling soll
profitieren. Zusammen mit
anderen Kürzungen und Be-
lastungen ergeben sich Kosten
in der Höhe von 1,1 Milliarden
Euro bis 2023.
Fusionskosten
Gänzlich unberücksichtigt von
der Regierung blieben bisher
Zerschlagung
der Krankenkassen
droht ein teurer Flop zu werden
Welche Informationen
darf
der ehemalige Arbeitgeber
an potenzielle neue weiter-
geben? Keine personenbezo-
genen und schon gar keine
falschen. Sonst droht ein
Schadenersatz – wie im Fall
einer Rezeptionistin.
D
a ihr Dienstverhältnis
endete, suchte eine Gra-
zerin nach einem neuen Job.
Die Rezeptionistin wurde zu
Bewerbungsgesprächen einge-
laden, die durchwegs positiv
verliefen: Ihr wurde stets mit-
geteilt, dass sie gut ins Team
passe. Allerdings erhielt sie
immer ein paar Tage später
eine Absage. Dies machte die
20-Jährige schließlich stut-
Ex-Chef gab Daten
von Mitarbeiterin weiter
18 Tage lang
durchgehend
zwischen elf und zwölf Stun-
den arbeiten: Für einen Es-
senszusteller, der in Graz
Burger, Pommes und andere
Snacks zugestellt hat, war
das bittere Realität.
N
icht nur bei den Ruhe-
zeiten hielt sich der Es-
senszustelldienst nicht an die
gesetzlichen Bestimmungen,
auch die Bezahlung stimm-
te nicht. Der 36-Jährige war
heuer für 4,5 Monate bei dem
Online-Lieferservice beschäf-
tigt gewesen, laut Dienstvertrag
für 20 Stunden die Woche. Der
Arbeitsablauf sah so aus, dass
er mit seinem privaten Auto
vor einer Burgerfiliale warten
Online-Lieferservice
zahlte
Zusteller 8.600 Euro zu wenig aus
zig und sie fragte bei einem
der potenziellen Arbeitgeber
nach. Der teilte ihr mit, dass
er sich bei ihrem ehemaligen
Chef über sie informiert hatte.
Diesem war nichts Besseres
eingefallen, als nicht nur ne-
gative, sondern vollkommen
wahrheitswidrige Angaben
über sie zu machen.
Strafrechtlich relevant
„Arbeitgeber dürfen aufgrund
des Datenschutzgesetzes 2018
und der Datenschutzgrund-
verordnung (DSGVO) keine
personenbezogenen Daten
ohne Zustimmung der Be-
schäftigten an Dritte, also auch
potenzielle neue Arbeitgeber,
weitergeben“, erklärt AK-Ar-
beitnehmerschutzexpertin Bil-
jana Bauer. Zudem dürfen we-
der in Dienstzeugnissen noch
durchmündliche Bewertungen
mit beispielsweise negativen
Angaben oder Beurteilungen
das berufliche Weiterkommen
der Beschäftigten erschwert
werden. „Schon gar nicht dür-
fen Arbeitgeber mit Absicht
wahrheitswidrige Angaben
weitergeben, um betroffenen
Arbeitnehmern zu schaden“,
stellt die Expertin klar: „Hier
bewegen wir uns fallbezogen
bereits im strafrechtlichen
Bereich.“
2.000 Euro Schadenersatz
Nach Intervention der AK Stei-
ermark gab der ehemalige Ar-
beitgeber eine Unterlassungs-
erklärung ab, in Zukunft die
Weitergabe personenbezogener
Daten der Grazerin zu unter-
lassen. Zusätzlich bezahlte er
2.000 Euro Schadenersatz.
JF
musste, bis er elektronisch
verständigt wurde, dass eine
Kundin oder ein Kunde Essen
bestellt hat. Daraufhin holte
er das Essen im Lokal ab und
stellte es mit seinem Auto zu
– ohne Kilometergeld zu be-
kommen. Einen Dienstvertrag
sah der Grazer ebenfalls nicht.
Hunderte Überstunden
„Laut seinen Aufzeichnun-
gen hat der Mann während
des gesamten Zeitraumes des
Dienstverhältnisses 403 Mehr-
und Überstunden geleistet“,
hat AK-Arbeitsrechtsexperte
Bernd Reisner anhand der Ar-
beitsaufzeichnungen des Man-
nes berechnet. Der Grundlohn
für die Teilzeitbeschäftigung
machte pro Monat rund 670
Euro aus. In Summe erhielt
er für die 4,5 Monate ledig-
lich knapp 3.700 Euro – eine
Abrechnung wurde nicht aus-
gehändigt. „Das ist ein biss-
chen mehr als der Grundlohn.
Urlaubs-, Weihnachts- und
Taggeld sowie Urlaubsersatz-
leistung fehlen. Ebenso die
Mehr- und Überstunden“, sagt
Reisner: „Aus unserer Sicht er-
gibt sich ein Betrag in der Höhe
von etwa 12.300 Euro brutto.“
Der Dienstgeber des Zustel-
lers entgegnete, dass alles
abgegolten worden sei. Die AK
reichte Klage beim Arbeitsge-
richt ein.
JF
die Kosten der Zusammen-
legung der Sozialversiche-
rungen. Vorsichtig geschätzt
rechnen AK-Expertinnen und
-Experten mit 500 Millionen
Euro. Eine ähnliche Situation
gab es schon vor 15 Jahren,
als bei der Zusammenlegung
der Pensionsversicherungen
der Arbeiter und jener der
Angestellten in der Rückschau
des Rechnungshofes hunderte
Millionen Euro an nicht vor-
hergesagten Kosten angefallen
sind. Weitere zusätzliche 500
Millionen Euro dürfte der
neue gesamtösterreichische
Behandlungsvertrag mit der
Ärztekammer kosten.
Die Arbeitgeber bestimmen
Während die Einsparungen
übertrieben und die Kosten
verschwiegen werden, ist die
Regierung bei den Plänen, wer
über die jährlich 61 Milliarden
Euro der Sozialversicherungen
bestimmen soll, sehr genau:
nämlich die Arbeitgeber. Bis-
her haben mehrheitlich Vertre-
terinnen und Vertreter der Be-
schäftigten über die Verteilung
der Einnahmen bestimmt. Die-
se Entscheidungen, etwa auch
über Selbstbehalte, werden
künftig in Wien getroffen, und
zwar im neuen Dachverband,
in dem die Arbeitgeber eine
Mehrheit von 6 zu 4 haben.
Der steirische GKK-Obmann
Josef Harb spricht deshalb von
einer „Enteignung der Arbeit-
nehmer“.
Ungenauere Beitragsprüfung
Derzeit nicht bezifferbare Min-
dereinnahmen bringt eine
Änderung bei der Beitragsein-
hebung. Bisher waren Finanz-
und GKK-Prüfer gemeinsam
dafür zuständig, dass die Un-
ternehmen korrekte Sozial-
versicherungsbeiträge zahlen.
Dabei sind die GKK-Prüfer
dreimal so erfolgreich. Die Fi-
nanz, die künftig allein prüft,
hat einen weniger genauen
Prüfungsauftrag, der zu weni-
ger Einnahmen führt.
Voest’ler sind empört
In freiwillige Wohlfahrtsein-
richtungen der Unternehmen
umgewandelt werden die fünf
betrieblichen Krankenkassen.
Drei davon sind die steirischen
voestalpine-Betriebskranken-
kassen an den Standorten
Donawitz, Zeltweg und Kap-
fenberg. Der Donawitzer voest-
Betriebsratsvorsitzende Josef
Gritz ist gleichzeitig Obmann
der dortigen Krankenkasse:
„Seit 100 Jahren verwalten wir
die Kasse erfolgreich, haben
noch nie Steuergeld gebraucht
und halten eine Zerschlagung
sachlich, fachlich und poli-
tisch für völlig ungerechtfer-
tigt.“
SH
Protest in Graz: In Wien wird künftig über
970.000 steirische Krankenversicherte ent-
schieden. Politiker und Beamte sowie Selbst-
ständige und Bauern werden in ihren Kassen
weiterhin bessere Leistungen erhalten.
Graf | AK
„Die Funktionäre kosten weniger
als sechs Millionen im Jahr. Bis zur
angeblichen Patientenmilliarde
dauert es 176 Jahre.“
Josef Pesserl
AK-Präsident
1,2-3 6-7,8-9,10-11,12-13,14-15,16-17,18-19,20-21,22-23,24-25,...28
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