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ALLERLEI
SERIE
Vor 200 Jahren
ließ sich
Karl Freiherr Drais sein Lauf-
rad patentieren. Die Erfin-
dung nahm eine rasante
Entwicklung und veränderte
die Gesellschaft.
D
ie Draisine, so wurde das
Laufrad vonDrais genannt,
blieb über Jahre ein Spiel-
zeug der Adeligen. Wegen der
schlechten Straßen fuhr man
am Gehsteig, was zu Unfällen
mit Passanten führte. So wur-
de der Gebrauch in deutschen
Städten schon bald verboten.
Um 1860 setzte sich langsam
der Tretkurbelantrieb durch.
Die starre Befestigung der Kur-
bel am Vorderrad führte zum
Hochrad – noch immer kein
massentaugliches Produkt.
INS SCHWARZE
Willi Tell
Worte abschmecken
Beim Entsorgen von alten Aus-
rissen aus Zeitungen fällt mir
ein heimisches Blatt vom ver-
wichenen Oktober in die Hand.
Die Schlagzeile: „Metaller feil-
schen wieder um Löhne“. Im
Artikel liest man, dass die Ar-
beitgeberseite „verhandelt“.
Ich habe beim Lesen vor Zorn
aufgeschrien: Aha, die Arbeit-
geber „verhandeln“ – „verhan-
deln“ ist seriös und in einer
Demokratie, wo es auf Kom-
promisse ankommt, üblich. Die
Schöpfer „feilschen“ hingegen
– der Ausdruck hat was Schäbi-
ges und Hinterhältiges an sich
und unterstellt, dass da jemand
über den Tisch gezogen wer-
den soll.
So machen das auch Zeitun-
gen, die sich gern brüsten, ein
ach so objektives „Qualitäts-
medium“ zu sein.
Wir alle sollten beim Medien-
konsum genau auf die Worte
und deren Klang achten. Das
gilt ja auch bei den Geschich-
ten von IhremWilli Tell.
FRISCH
GEPRESST
AUS DER AK-BIBLIOTHEK
r
Walter Ulreich/
Wolfgang Wehap:
Die Geschichte der
Puch-Fahrräder.
Weishaupt Verlag 2016.
399 Seiten.
Dieses Werk, die erste umfassen-
de Monografie über die PUCH-
Fahrräder, soll aufzeigen, was
Puch in fast 100 Jahren in Bezug
auf die Fahrrad-Entwicklung und
-Produktion an Modellen, techni-
schen sowie sportlichen Leistun-
gen und Innovationen hervorge-
bracht hat.
Das Fahrrad, mehr denn je ein
modernes
Individualverkehrs-
mittel. – Alle Modelle und Typen.
Umfangreiches Bild- und Quel-
lenmaterial. – Mit großteils bisher
selten veröffentlichten Fotos.
Per J. Andersson:
Vom Inder, der mit dem
Fahrrad bis nach Schwe-
den fuhr, um dort seine
große Liebe wieder-
zufinden. Eine wahre
Geschichte.
Kiepenheuer & Witsch Verlag
2016. 318 Seiten.
1975 lernt Pikay in Neu-Delhi
durch Zufall die junge Schwe-
din Lotta kennen und verliebt
sich unsterblich in sie. Als Lotta
zurück nach Schweden geht,
setzt sich der kastenlose Pikay
kurz entschlossen auf ein altes
Fahrrad und fährt ihr hinterher.
Auch zahlreiche Rückschläge
können ihn nicht aufhalten, bis er
schließlich tatsächlich in der Hei-
mat Lottas ankommt, einer völlig
anderen Welt …
Kiepenheuer & Witsch Verlag
Thorsten Brönner:
Das große Radreisebuch
Europa.
Bruckmann Verlag 2018.
286 Seiten.
Ein Fahrrad, etwas Zeit und so
viele Möglichkeiten! Entdecken
Sie Europas schönste Radwege:
Klassiker wie die Tour München–
Venedig und Geheimtipps, etwa
in Estland oder in Montenegro.
Fahrradtouren für Naturlieb-
haber und solche für Kulturbe-
geisterte. Alpine Wege wie die
Alpenpanorama-Route und me-
diterrane Strecken auf Sardinien
oder in der Toskana. Touren im
kühlen Norden und Routen im
sonnenverwöhnten Süden. Das
ist 50 Mal Europa – per Rad. Das
richtige Buch für Fahrradfahrerin-
nen und -fahrer mit Fernweh.
DAS PUCHRAD
Untrennbar mit Graz verbunden
ist das Puchrad. Knapp die Hälf-
te der 200-jährigen Fahrradge-
schichte prägte auch der Name
Puch die Entwicklung. Johann
Puch, geboren als Janez Puh in
Slowenien, begann 1890 in einem
Hinterhof beim Grazer Volksgar-
ten seine ersten Räder zu bauen.
Ab 1897 wurden am Standort im
Grazer Süden Räder produziert.
Dort gründete der Unternehmer
1899 die Puch-Werke. Die Firma
hatte eine sehr wechselvolle Ge-
schichte. Bei Puchs Ausscheiden
aus seinem Unternehmen im
Jahr 1912 waren 1.100 Menschen
im Werk beschäftigt, die jährlich
16.000 Fahrräder, darunter das
legendäre Waffenrad, und je 300
Motorräder und Automobile pro-
duzierten. Puch starb am 19. Juli
1914 in Zagreb.
Im 1934 entstandenen Mischkon-
zern Steyr Daimler Puch war das
Rad nur mehr eines von vielen
Produkten. Am Grazer Standort
wurden dennoch legendäre Mo-
delle entwickelt. Vielen sind etwa
Räder aus der Berg- und Jungmeis-
terserie oder der Clubmannserie
in Erinnerung. Bis zur Einstellung
der Zweiradproduktion im Jahr
1987 wurden im Grazer Puchwerk
etwa zehn Millionen Fahrräder
produziert. Einen guten Einblick
in die Geschichte des Steyr-Daim-
ler-Puch-Konzerns und des Fahr-
rades gibt das Grazer Johann-
Puch-Museum.
Kettenantrieb
Erst zwei weitere Entwicklun-
gen brachten den Durchbruch
zum Massenverkehrsmittel:
Anfang der 1880er-Jahre er-
möglichte der Kettenantrieb
mit Übersetzung eine Verlage-
rung der Kurbel zwischen die
Räder – das moderne Nieder-
rad mit Hinterradantrieb und
einem rautenförmigen Rahmen
war geboren. Wenige Jahre spä-
ter folgte ein Qualitätssprung
mit der Erfindung des Dunlop-
Luftreifens.
Teil der Emanzipation
Um 1890 war das Fahrrad der-
art ausgereift, dass das europä-
ische Bürgertum begeistert in
die Pedale trat. Unter den zahl-
losen Fahrradvereinen, die
sich bildeten, stach der 1893
gegründete „Grazer Damen-Bi-
cycle-Club“ hervor. Die Damen
hatten erkannt, dass Mobilität
die den Frauen gesetzten engen
gesellschaftlichen Grenzen
erweitern konnte.
Mobilität für die Massen
Wenige Jahre später war durch
die industrielle Fertigung der
Preis von Fahrrädern etwa auf
den Wochenlohn eines Arbei-
ters gesunken. Immer mehr
einfache Leute konnten sich
ein Rad leisten, ihren Aktions-
radius vergrößern und ihre Las-
ten leichter transportieren. Das
Von der Draisine
zur Mobilität der Massen
reiche Bürgertum grenzte sich
nun durch motorisierte Fahr-
zeuge vom gemeinen Volk ab.
Als die steirische Landesregie-
rung 1935 die knappen Kassen
durch eine Radsteuer füllen
wollte, gab es breiten Wider-
stand. Nicht nur die ärmere
Bevölkerung in den Städten
protestierte, sondern auch die
Bauern, die ihre Knechte und
Mägde mit dem Rad zum Ver-
kauf der Produkte in die Städte
schickten. Die Arbeiterkammer
und die Handelskammer sorg-
ten sich um Arbeitsplätze und
Absatz.
SH
Abdruck der Fotos mit freundlicher Genehmigung des Weishaupt Verlags.
Bruckmann Verlag
Weishaupt Verlag