ZAK Sept 2015_ES - page 19

INS SCHWARZE
Ganz abgedreht
Willi Tell
Der Tag beginnt ja schön, wie
die Sonne in die Küche strahlt,
wie es aus der Kaffeemühle
duftet und wie auf dem Bal-
kon die Spatzen lärmen.
Aber dann macht man einen
Fehler. Im Glauben, man be-
nötige zum Überleben unbe-
dingt aktuelle Informationen,
schalte ich das Radio ein.
Nachrichten. In irgendeiner
Moschee hat irgendein Selbst-
mordattentäter zwei Dutzend
Menschen in den Tod gerissen,
vielleicht drei. Gestern waren
es bei einem ähnlichen Anlass
irgendwoanders vier Dutzend.
Der Gemahl der englischen
Königin hat sich irgendwo
danebenbenommen, wieder
einmal. Ein Flüchtlingsboot
ist vor Kreta oder Lampedusa
oder Spanien gekentert, die
Zahl der Toten unbekannt.
Ein österreichischer Minister
hetzt gegen die Arbeitslosen,
im selbstgefälligen Leistungs-
trägerton der Bosse, Beamten
und Bonzen.
Irgendein Hollywood-Mensch
hat sich scheiden lassen oder
geheiratet oder wurde wegen
irgendwas
festgenommen.
Zwei Dutzend Flüchtlinge von
Schleppern in einen engen
Kastenwagen gepfercht. Beim
Tennis haben wir dafür einen
schönen Erfolg errungen, der
Reporter klingt ganz atemlos.
„Und nun zum Wetter.“ Und
durch all diese Schaurig- und
Nichtigkeiten strahlt die Son-
ne inzwischen weniger und
schmeckt der Kaffee nicht so
recht. Die Spatzen können
solche Sachen auch nicht
mehr hören und haben sich
davongemacht. Ich drehe ab.
Zu spät.
Einstein & E nfalt
Ein satirisches Doppel
von
Berndt Heidorn
Müller:
Na Huber, was sagens?
Da haben die Deutschen den
Griechen aber gezeigt, wo der
Bartl den Ouzo herholt!
Huber:
Wenn Sie die unheili­
ge Allianz aus schwäbischer
Hausfrau und BILD-Zeitung
meinen …
Müller:
Höhö, Huber. Sie wer­
den doch wohl nicht der links­
linken Anti-Deutschland-Pro­
paganda auf den Leim gehen?
Huber:
Ach, woher? Aber es
soll ja ernstzunehmende Ex­
perten geben, die es für wenig
sinnvoll halten, wenn sich
Griechenland zu Tode spart.
Müller:
Papperlapapp. Ich sage
nur: TINA.
Huber:
Wie bitte?
Müller:
T-I-N-A. There is no
alternative.
Huber:
Auf die Gefahr hin,
mich zu wiederholen: Wie
bitte?
Müller:
Entschuldigung. Ich
vergess` immer, wen ich vor
mir hab. Also für Sie: Es gibt
keine Alternative zum Spar­
kurs.
Huber:
Sagt wer?
Müller:
Ursprünglich die
berühmt-berüchtigte „Eiserne
Lady“ Maggie Thatcher. Und
jetzt eifert ihr die Frau Merkel
nach.
Huber:
Ist die Frau Merkel
nicht die, die eine „marktkon­
forme Demokratie“ will?
Müller:
Genau die. Was ha­
bens dagegen einzuwenden?
Huber:
Gegenfrage: Wie wärs
zur Abwechslung mit einer
demokratiekonformen Markt­
wirtschaft?
Müller:
Der war gut! Den muss
ich gleich weitererzählen! De­
mokratiekonforme Marktwirt­
schaft! Köstlich, der Huber!
Huber:
Was soll der Heiter­
keitsausbruch?
Müller:
Ach so, Sie mei nen
das ernst! So gerne es mi r
leidt ut , Hube r : Abe r da­
mit kommens um gut und
SATIRE
Jürgen Fächle – Fotolia
die Griechen den Gürtel enger
schnallen!
Huber:
Wie denn, ohne Gür­
tel?
Müller:
Jetzt seiens nicht so
pessimistisch, Huber. Die
Griechen werden sich schon
wieder derappeln.
Huber:
Dazu müsst ma aber
das ganze Jahr in Griechen­
land Urlaub machen und
uns jeden Tag einen Metaxa-
Rausch ansaufen. Bitte, das
hält meine Leber nicht aus!
Und nix gegen ihr gutes Oli­
venöl, aber unser steirisches
Kernöl …
Müller:
Jedenfalls hätte Grie­
chenland ohne eine weitere
Geldspritze zusperren kön­
nen. Also hat die EUGriechen­
land gerettet!
Huber:
Ja eh, aber diese Art
von Rettung erinnert mich
mehr an einen Kunstfehler.
Müller:
Wie kommens jetzt auf
Kunstfehler?
Huber:
Operation gelungen,
Patient tot.
ge r ne 30 J a h r e z u s pä t .
Huber:
Aber …
Müller:
Nix aber. Die Griechen
haben in einer Volksabstim­
mung nein zu den Sparauf­
lagen gesagt, und hat das
irgendwas geändert?
Huber:
Aber das kann ja nicht
so weitergehn! Podemos! Yes,
we can! Proletarier aller Län­
der …
Müller:
Bitte, Huber! Marx
und Lenin sind längst tot, der
Che Guevara auch und der
Castro ist auch schon ziemlich
roglert und redet seit Neues­
tem nur noch über Käse.
Huber:
Ziemlich t raur ig
die ganze Griechenland-Ge­
schichte.
Müller:
Wieso?Wir schmeißen
dem schlechten Geld noch
gutes Geld nach, und alle sind
glücklich.
Huber:
Glücklich? Die, die das
zahlen, wohl kaum und die,
bei denen die schöne Kohle
nie ankommt, noch weniger.
Müller:
Auf jeden Fall müssen
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