Links: Die Inderin Gazala
mit ihrem Porträt als
13-jähriges Mädchen:
Gazala hat beide Augen
bei der Giftgaskatastro-
phe verloren.
Rechts: Erblindete Opfer
einen Tag nach dem
schrecklichen Unfall in
Bhopal im Dezember
1984.
(Fotos: Harish Tyagi/
EPA/AFP/Picturedesk.com)
Haft für tausende Tote
zwei Jahren Haft auf Bewäh-
rung aber deutlich unter der
möglichen Höchststrafe. Auch
das Nachfolgeunternehmen
von Union Carbide kam billig
davon: Es muss umgerechnet
8.700 Euro Strafe zahlen.
„Wie ein Verkehrsunfall!
Für indische Bürgerrechtler
ist das Ur teil f reilich ein
„juristisches Desaster“. Die
Richter hätten die größte In-
dustriekatastrophe wie einen
gewöhnlichen Verkehrsunfall
behandelt. Unmut hat bei den
Betroffenen aber nicht nur
das milde Urteil ausgelöst.
Ein großer Name fehlte auf der
Anklagebank: Warren Ander-
son, der frühere Vorsitzende
von Union Carbide, war zwar
vom Gericht ursprünglich
als Angeklagter geführt wor-
den, musste dann jedoch für
„flüchtig“ erklärt werden.
Union Ca rbide bet rachtet
die Gaskatastrophe als ab-
geschlossenes Kapitel. Im
Rahmen der 1989 vereinbar-
ten Entschädigungszahlung
erhielten eine halbe Million
Geschädigte und die Fami-
lien von 15.274 Toten eine
Einmalzahlung in Höhe von
wenigen hundert Euro. Ein
Menschenleben in der Dritten
Welt ist nur einen Bruchteil
dessen wert, was es in den
Industrieländern zählt.
Dicht besiedelter Unglücksort
Die Hauptstadt des Bundes-
staates Madhya Pradesh wird
„Stadt der Seen“ genannt und
hat 1,8 Millionen Einwoh-
SERIE
Demo vor 10 Jahren gegen den jetzigen Eigentümer der Pestizidfabrik
in Bhopal.
(Sanjeev Gupta/EPA/picturedesk.com)
ner (Volkszählung 2011). Sie
liegt am östlichen Ufer eines
361 Quadratkilometer großen
künstlichen Sees.
Die abweichenden Schätzun-
gen der Opferzahlen (3.800 bis
25.000 Tote) erklären sich aus
der ungenauen Kenntnis über
die Zahl der Einwohner des
Elendsviertels in dieser Zeit.
Es lebten damals rund 100.000
Menschen in einem Radius
von einemKilometer rund um
die Unglücksfabrik. Tausende
erblindeten, Unzählige erlit-
ten Hirnschäden, Lähmungen,
Lungenödeme, Herz-, Magen-,
Nieren-, Leberleiden und Un-
fruchtbarkeit. Später kamen
Fehlbildungen an Neugebore-
nen undWachstumsstörungen
bei Kindern hinzu.
Viele Betroffene leiden noch
immer unter den Folgen der
Vergiftungen. Dow Chemical
weigert sich, das Industrie-
gelände von den hochgiftigen
Überresten zu befreien und
so den Gifteintrag in Luft und
Grundwasser zu beenden.
Begründung: Die von Dow
Chemical 2001 aufgekaufte
Union Carbide Corporation
hat ihren Anteil von 50,9 % an
der Union Carbide India Ltd.
bereits 1994 verkauft.
Rudolf Willgruber
Große Chemie-Unglücke
September 1921:
Nach einer
Explosion im Ammoniak-Werk
der BASF bei Ludwigshafen
sterben 585 Menschen.
Juli 1948:
In der BASF in Lud-
wigshafen gerät ein Behälter
mit Alkohol in Brand. Bei der
Explosion sterben 200 Men-
schen, 3.800 werden verletzt.
Juli 1976:
Bei einer Explosi-
on in einer Tochterfirma des
Schweizer
Chemiekonzerns
Hoffmann-La
Roche
ent-
weicht hochgiftiges Dioxin.
200 Menschen der Stadt Se-
veso bei Mailand erleiden
schwere Vergiftungen, 50.000
Tiere müssen getötet werden.
September 2001:
Nach einer
Explosion in einer Düngemit-
tel-Fabrik bei Toulouse in Süd-
frankreich sterben 31 Men-
schen, 2.500 werden verletzt.
ZAK
nfo
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