Bedingte
In der Nacht zum 3. Dezember 1984 entweichen
aus einem Lagertank der Pestizidfabrik von Union
Carbide im Armutsviertel von Bhopal über 40
Tonnen eines tödlichen Gasgemischs. Für mehr
als 3.000 Menschen bedeutet das Gas den so-
fortigen Tod, viele tausend sind in den folgenden
Monaten qualvoll erstickt.
D
er Inder Gas Miyan wurde
am Unglückstag geboren.
Er ist einer von 500.000 Men-
schen, deren Leben durch die
größte Chemiekatast rophe
der Welt zerstört wird. Der
30-jährige Mann kann nicht
arbeiten, seine Ateminsuffizi-
enz lässt keinerlei körperliche
Anstrengung zu. Union Car-
bide hat seine Wahlmöglich-
keiten extrem beschnitten:
„Ohne diese Katastrophe wäre
ich heute gesund und könnte
meine Familie ernähren.“
Union Carbide war nicht im-
mer ein Synonym für Hoff-
nungslosigkeit. Im Zuge der
„grünen Revolution“, mit der
die indische Regierung die
Ernährung der Bevölkerung
sicherstellen wollte, baute
der US-Multi in Bhopal eine
Pestizidfabrik mit einer jähr-
lichen Produktionskapazität
von 5.000 Tonnen.
Da der Absatz für Sevin in
Indien hinter den Erwartun-
gen zurückblieb, schrieb das
Unternehmen von 1982 an
rote Zahlen. Um die Verluste
aufzufangen, wurden Kosten
reduziert und viele qualifi-
zierte Mitarbeiter entlassen.
Das führte auch zu Sicher-
heitsproblemen. Zwischen
1981 und 1983 kam es zu fünf
Gaslecks; es gab einen Toten
und 47 Verletzte. Aber es än-
derte sich nichts, bis zu dem
fatalen Unfall.
Leiden auch nach 30 Jahren
In die private Sambhavna-
Klinik inmitten eines Ar-
menviertels in Bhopal kom-
men täglich noch zahlreiche
Patienten. Viele von ihnen
leiden an chronischen Atem-
wegserkrankungen, die 40
Tonnen hochgiftigen Methyl-
isocyanats haben Lungen und
Bronchien nachhaltig verätzt.
Auf ein Gerichtsurteil gegen
die verantwortlichen Mit-
arbeiter von Union Carbide
mussten die Betroffenen al-
lerdings so lange warten, dass
viele von ihnen es gar nicht
mehr miterleben konnten. Erst
2010 hat ein Gericht in dem
1987 eröffneten Verfahren
erste Schuldsprüche gegen
ehemals leitende Angestellte
des Konzerns, der seit 2001
dem US-Chemieriesen Dow
Chemicals gehört, gefällt.
Die acht indischenMitarbeiter
– darunter auch der frühere
Chef des indischen Tochterun-
ternehmens von Union Carbi-
de – wurden der „fahrlässigen
Tötung“ für schuldig befun-
den. Das Strafmaß blieb mit
SERIE
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AUS DER AK-BIBLIOTHEK
sen umAlternativen in die Köp-
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Verlag Das Neue Berlin 2007.
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Der Druck auf Arbeitslose und
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sicherte Billigjobs breiten sich
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Die Autoren beweisen: Armut
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ten einer Medaille. Was durch
Kürzungen bei Arbeitslosen
eingespart wird, wirft man Un-
ternehmen durch Steuersen-
kungen in den Rachen. Eine
machtvolle Gegenbewegung
kann aber nur entstehen, so
Wagenknecht, wenn das Wis-
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ZAK