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Die Situation an den steirischen
Schulen hat sich drastisch ver-
schlechtert: Die AK-Studien aus den
Jahren 2014 und 2017 sorgten zwar
für Diskussionen und einzelne Maß-
nahmen, dennoch gehören Mobbing
und Gewalt zum Schulalltag.
G
enerell besuchen die steirischen Schulkin-
der (sehr) gerne die Schule (82,6 %) und
fühlen sich wohl in der Klasse (92,5 %). Das
ergibt die vom Grazer Meinungsforschungs-
institut bmm im Auftrag der AK Steiermark
durchgeführte persönliche Befragung von
512 Schulkindern ab der 3. Schulstufe. Aber…
Brutaler Schullalltag
62,1 Prozent der befragten Schülerinnen und
Schüler geben an, dass Schulkolleginnen und
-kollegen von (Cyber-)Mobbing betroffen
sind. 37,1 Prozent haben Tätlichkeiten und
Zerstörungen durch gewalttätige Jugendliche
bemerkt. Die eigene Betroffenheit ist aber
nach wie vor ein Tabuthema: 35,5 Prozent der
befragten Schulkinder geben an, dass sie von
irgendeiner Art von Mobbing oder Gewalt
betroffen sind. Eine negative Steigerung von
fast 12 Prozent gegenüber der Studie von 2017.
„Mobbing, Cybermobbing und Gewalt durch
Schüler werden auch noch die nächsten Jahre
den Schulalltag bestimmen – all diese Bereiche
haben sich verstärkt und werden sich aus der
Sicht der Schüler auch in Zukunft verstärken“,
erläutert Studienautorin Claudia Brandstätter.
Konfliktlösung bereits im Kindergarten
Aus Sicht der befragten Expertinnen und
Experten sind Basiskompetenzen, Wertewelt
und Zivilcourage Bausteine gegen die Gewalt.
Hier gebe es bereits viele brauchbare Ansätze,
die konsequent umzusetzen seien. So ist der
Ruf nach Unterrichtsfächern bzw. Kursen in
den Bereichen„Medienverhalten“ und„Werte,
Verantwortungsübernahme, Zivilcourage“
mehrheitlich deutlich ausgeprägt. Aus Sicht
der Fachleute gehören solche neuen Unter-
richtsfächer zu Präventionsmaßnahmen. Die
AK Steiermark unterstützt diese Forderungen
und bietet unter anderem neben Workshops
über die Volkshochschule Seminare wie „Me-
dienkompetenz für Eltern und Schüler“ an.
Präventionsarbeit ab Kindergartenalter
Für AK-Präsident Josef Pesserl ist klar, dass
nicht weggeschaut werden darf: „Opfer und
Täter müssen gut betreut werden, damit sich
das Muster nicht wiederholt oder im Arbeits-
leben fortsetzt.“ Generell spricht er sich dafür
aus, dassmit altersgerechter Prävention gegen
Mobbing und Gewalt bereits im Kindergarten
begonnen werden sollte.
JF
Mobbing und Gewalt
gehören zum Schulalltag
Beruf & Recht
Konsumentenschutz
Bildung
& Wissen
Seite 22 – 31
95,7 Prozent
der Schul-
kinder
nutzen soziale
Netzwerke
(WhatsApp,
Facebook & Co.).
Willi Tell
Cybermobbing, Hate Speech,
Shitstorm – die Anonymität
des World Wide Web lässt
leider immer wieder soziale
Hemmschwellen verschwin-
den. Fast zwei Drittel der
steirischen Schüler geben
an, dass es in der Klasse Cy-
bermobbing-Fälle gibt – je-
der Fall ist einer zu viel. Von
Cybermobbing sind haupt-
sächlich Jugendliche betrof-
fen. Zwar ist Cybermobbing
eine moderne Form eines
alten Problems, aber wo frü-
her Hänseleien am Schulhof
mit dem Nachhauseweg en-
deten, können schadhafte
Social-Media-Postings heute
zu jeder Tages- und Nacht-
zeit Hunderte Menschen
erreichen und permanent
abgerufen werden. Und:
Das Internet vergisst nicht!
Viral
gegangene
Inhalte
können kaum bis gar nicht
gestoppt werden. Die sozi-
alen Medien sehen sich hier
mit einem schwer lösbaren
Problem konfrontiert. Ins-
tagram versucht, mit einem
Feature
gegenzusteuern,
das Nachrichten auf Beleidi-
gungen überprüft. Wenn ein
verdächtiges Wort entdeckt
wird, erscheint die Frage:
„Bist du dir sicher, dass du das
abschicken willst?“ Und Face-
book bietet die Möglichkeit
an, beleidigende Kommen-
tare, Postings und Nutzer zu
melden. Schlussendlich hilft
aber nur eines: Digitales und
soziales Verantwortungsbe-
wusstsein muss her!
Mobbing
imWWW
dis
kutiert
Michael Radspieler
Social-Media-Experte
Mobbingsituationen werden härter und eskalieren schnel-
ler. Die sozialen Medien tragen dazu bei, dass sich eine
Konfliktsituation rasch ausweitet – über den Pausenplatz
hinaus. AK-Bildungsexpertin Katrin Hochstrasser beantwor-
tet die häufigsten Fragen aus dem Beratungsalltag.
Wie merke ich, dass mein Kind
gemobbt wird?
Katrin Hochstrasser:
Meist er-
kennt man ziemlich schnell, dass
etwas mit dem Kind nicht passt.
Bei Betroffenen merkt man einen
Rückzug. Diffuse Ängste, auch
Schulangst, körperliche Beschwer-
den wie Bauchmerzen, Kopfweh,
Lustlosigkeit manchmal bis hin
zur Depression können auftreten.
Und wenn es der Bully ist?
Hochstrasser:
Oft gibt es diese
Tendenzen schon bei kleinen
Kindern: Sie können gut mit der
Gruppe umgehen und sie für ihre
Zwecke gewinnen. Meist sind sie
in ihrem Inneren aber nicht so
sicher, wie sie sich nach außen
geben. Viele Kinder manövrieren
sich in das„Täter-sein“ selbst hinein
– das Kind steht gerne im Mittel-
punkt unddieGruppe applaudiert
bei komischen Bemerkungen. So
kann eine ungesunde Dynamik
entstehen, die aber erst in Rich-
tung Mobbing umschlägt, wenn
die Gruppe dasVerhalten toleriert
bzw. es noch begrüßt oder befeu-
ert. Dadurchwird die Stellung des
Mobbers aufgewertet und gefes-
tigt. Oft kommt es zu aggressiv-
dissozialenVerhaltensweisen.Wo-
bei es auch bei Mobbern zu einem
Leistungsabfall kommen kann,
weil die Täterin bzw. der Täter mit
anderenDinge beschäftigt ist (wie
z. B. den Klassenclown zu geben).
Wie reagiere ich, wennmeinKind
die Täterin bzw. der Täter ist?
Hochstrasser:
Wenn mein Kind
wirklich der Tätergruppe ange-
hört, dann wäre es wichtig, als
Elternteil nicht wegzusehen. Sie
können helfen, aus dieser dest-
ruktiven Dynamik auszusteigen,
Mobber, Opfer & Eltern:
zuhören, reden, handeln
indem sie die Zivilcourage des
eigenen Kindes stärken und das
Selbstbewusstsein bzw. Gerech-
tigkeitsempfinden fördern, um im
weitesten Sinne auch das System
Schule oder das System Beruf zu
beeinflussen. Aber zumindest
um zu gewährleisten, dass in
einer anderen Schule bzw. im
Erwachsenenleben dieselben
prozesshaften Dynamiken nicht
wiederholt werden.
Was raten Sie Eltern von Mob-
bingopfern als 1. Schritt?
Hochstrasser:
Reden, reden, re-
den. Bei Opfern gilt es, immer
wieder nachzufragen, da viele
sich nicht sofort öffnen können.
Beginnen, ein (Cyber-)Mobbing-
tagebuch zu führen und eventuell
Beweise wie Screenshots zu si-
chern, umBelege für dasMobbing
zu haben. Dann das Gespräch mit
der Klassenlehrerinbzw. demKlas-
senlehrer suchen und möglichst
neutral und faktenbasiert führen.
Ansonsten auch die Direktion
einschalten. Nie selbst mit dem
vermeintlichen Täter oder dessen
Eltern Kontakt aufnehmen.
Was tue ich, wenn es eskaliert,
mein Kind aber noch mit der
Mobbing bzw. dem Mobber in
der Klasse ist?
Hochstrasser:
Schwierig zu beant-
worten, da jeder Fall individuell zu
werten ist. Falls man als Elternteil
aber das Gefühl hat, eswird immer
schwieriger und in der Schule
selbst wird das zu wenig zum
Thema gemacht, unbedingt über
einen Schulwechsel des Kindes
nachdenken, bevor es zu schlimm
werden könnte. Man erspart dem
Kind einiges.
JF
34,2 Prozent
der Betroffe-
nen
erleben mehrmalige
Mobbinghandlungen
bzw. Angriffe pro Monat.
37,9 Prozent
der befragten
Schulkinder geben an, dass sie
von irgendeiner Art von
Mob-
bing oder Gewalt be-
troffen
sind.
79,5 Prozent
der Befragten
unternehmen etwas
,
wenn andere Schüler gemobbt
oder angegriffen werden.
2,7 Stunden
verbringen
Schülerinnen und Schüler
pro Tag im Netz
.
33,3 Prozent
der befragten
Schulkinder
denken, dass
in den nächsten drei Jahren
Cy-
bermobbing zunimmt
.
65,1 Prozent
der Mobbing-
opfer
fühlen sich verletzt
,
ziehen sich zurück, werden selbst
aggressiv oder können nicht mehr
so gut lernen.
Zwischen Juli und September
2019 wurden 512 Schülerinnen
und Schüler zwischen der 3. und
9. Schulstufe persönlich befragt.
Die Ergebnisse:
„Wichtig in Bezug auf
Opfer und auch auf
Täter: aufmerksam
sein und sich
bewusst Zeit zum
Zuhören nehmen.“
Katrin Hochstrasser,
AK-Bildungsexpertin
In
Kooperation
mit der Wochenzei-
tung„Der Grazer“ bringt
die AK Steiermark einen
„SchülerGrazer“ zumThema
Mobbing heraus. Eltern, Lehr-
kräfte und Schulkinder kön-
nen diesen kostenlos unter
anfordern.
Wenn Mobbing das Lernen beeinflusst
Über 40 Prozent aller gemobbten Schulkinder geben an, dass sie an Kon-
zentrationsschwierigkeiten leiden. Oft wird ihre Lernfähigkeit dadurch be-
einflusst. Die AK schafft Abhilfe:
zak
info
• AKtiv lernen
Durchgeführt von der VHS, wird
der Stoff der letzten Klasse mit
Übungen und Spaß wiederholt.
• TUit Wochen
Gemeinsam mit der TU macht die
AK Mädchen ab zehn Jahren fit
für digitale Technologien.
Umfang je Angebot: 38 Stun-
den (inkl. Workshop und Mittag-
essen); 14 Tage
Zeitraum: Sommerferien
Kosten pro Woche: 50 Euro
Anmeldung: ab Mitte Mai 2020
unter
• (Cyber-)Mobbing Präventions-
workshop der AK
Infos über Gefahren im Internet,
Gruppenübungen und gewaltfreie
Kommunikation.
Umfang: 2 Unterrichtseinheiten
Zeitraum: ganzjährig
Kosten: trägt die AK
Anmeldung:
• Nature Rocks-Outdoortraining
(
siehe S. 25
)
➡
©Daisy Daisy – stock.adobe.com
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